Zwischen welchen Geistern gilt es denn eigentlich zu unterscheiden?
Ernst Strachwitz: Zwischen dem Geist Gottes und dem anderen Geist. Der Geist Gottes ist der Geist der Einheit, der Liebe, der Wahrheit, der Klarheit auch. Und es gibt den Geist dessen, den die Schrift Vater der Lüge, Mörder von Anbeginn nennt, den Verwirrer (“diabolos" vom Griechischen “diabalein", durcheinanderwerfen), den Verschleierer.
Gibt es zwischen diesen Geistern einen neutralen Bereich?
Strachwitz: Eigentlich nein. Niemand und nichts ist neutral. Wir stehen ja ständig vor Entscheidungen - und da gibt es eigentlich keine Neutralität. Mache ich das jetzt so oder anders oder gar nicht? Es gibt kein menschliches Tun oder Unterlassen, das nicht Folgen hätte. Die Agnostiker meinen aber, daß sie sich aus diesen wesentlichen Fragen des Lebens einfach heraushalten. Das, glaube ich, geht auf Dauer nicht. Max Thürkauf, Professor für Physikalische Chemie und Philosoph hat einmal gesagt, daß die naturwissenschaftliche Forschung sich heute viel darauf zugute halte, wertfrei zu forschen. Und Thürkauf stellte fest, das gebe es gar nicht, da “Wertfreiheit" ja auch ein Wert sei. Wertfrei zu forschen, bedeute in Wirklichkeit, ohne Gott zu forschen. Die sogenannte Wertfreiheit ist eine verschleierte Form der Gottlosigkeit. Der Mensch ist ja auf das Gute ausgerichtet. Man tut die Dinge nicht einfach so. Man erstrebt immer etwas, von dem man meint, es wäre gut, auch wenn es ein falsches Gut ist. Im Grunde genommen ist nichts gleichgültig. Nur übersehen wir das vielfach. Und mit wir meine ich nicht nur die Welt, sondern auch die Christen.
Nach welchen Kriterien kann sich jemand richten, um herauszufinden, ob er vom Geist Gottes geleitet ist oder nicht?
Strachwitz: Sehr hilfreich sind die Kriterien der “Unterscheidung der Geister" in den Geistlichen Übungen des Hl. Ignatius von Loyola (dort nachzulesen). Er unterscheidet zwischen Menschen, die vom Guten nach dem je Besseren streben, sich also um das Gute bemühen, und jenen, die von Sünde zu Sünde gehen. Außerdem unterscheidet er innere Bewegungen. Er verwendet, um das zu erläutern, das Bild vom Wassertropfen, der auf einen Schwamm trifft und ganz lautlos einsickert - und dem Wassertropfen, der auf einen Stein aufprallt und mit viel Gespritze zerstiebt. Und nun sagt Ignatius: Bei denen, die auf dem guten Weg sind, wirkt der Geist Gottes wie ein Tropfen auf den Schwamm und der Geist des Verwirrers löst Irritation aus. Umgekehrt verhält es sich bei den Menschen, die von Sünde zu Sünde eilen. Bei ihnen bringt der Geist Gottes alles durcheinander. Dieser will ja, daß sie umkehren, während der böse Geist besänftigend auf sie wirkt, damit sie bleiben, wo sie sind. Wer sich um das Gute bemüht und Gott sucht, kann davon ausgehen, daß Beunruhigung und Irritation Störungen sind, die nicht der Geist Gottes gibt, und die man abklingen lassen soll.
Wie geschieht das am besten?
Strachwitz: Nach Ignatius sind vier Regeln zu beachten: Vorher gefaßte Entschlüsse sollen (im Zustand der “geistlichen Trostlosigkeit", der Beunruhigung, der Traurigkeit) nicht geändert werden. In einem solchen Zustand entscheidet man sich nicht gut. Dann: Man soll in dieser Phase nicht weniger, sondern mehr beten. Weiters soll man diesen Zustand als Prüfung ansehen und außerdem soll man sich in Geduld üben. Dabei können wir uns mit Jesus in Getsemani identifizieren. Bin ich also irgendwie beunruhigt, so geht es zunächst darum, dieses Gefühl nicht zu verdrängen, sondern es wahrzunehmen - zuzulassen. Dann gilt es, mit dem Verstand zu erkennen, worauf die Verwirrung zurückzuführen ist. Entdecke ich, daß es sich um etwas Störendes handelt, so lasse ich es beiseite. Ein Beispiel: Oft hat man Schuldgefühle. Man hat etwas getan und dann taucht der Gedanke auf: Das hätte ich anders machen sollen. Und das wird bohrend. Für den der sucht, sollte klar sein: Das kommt nicht vom Geist Gottes. Dieser gibt kein bohrendes, oft vages Schuldgefühl. Er gibt klares Schuldbewußtsein.
Heute wird - gerade auch unter Christen - so Unterschiedliches an die Menschen herangetragen. Wonach richtet man sich, um zu beurteilen, was wahr und was falsch ist? Was nährt meine Fähigkeit zur Unterscheidung?
Strachwitz: Zunächst ist wichtig, sich im eigenen Leben um Klarheit zu bemühen. Das hilft für die Unterscheidung. Dann das Gebet: daß ich aus dem Gebet, aus dem Wort Gottes lebe. Auf diese Weise lerne ich, die Ereignisse meines Lebens im Licht des Wortes Gottes zu deuten. Ich persönlich glaube auch, daß das religiöse Fasten die Unterscheidung stärkt. Dazu kommt: Eine große Hilfe bei der Unterscheidung ist auch: Was lehrt die Kirche? Grundsätzlich gilt: Die Unterscheidung ist weniger eine Gefühls- als eine Verstandessache. Besonders betonen möchte ich: Ich muß lernen, in den Ereignissen meines Lebens das Wort Gottes an mich zu vernehmen. Gott spricht normalerweise nicht durch Visionen oder Erscheinungen zu mir, sondern durch das, was in meinem Leben geschieht. Man soll seinen Verstand einsetzen, beten, prüfen abwägen. Manches wird man erst viel später verstehen. Wenn jemand in einer Sache nicht weiß, wie er entscheiden soll, dann rate ich ihm, sich nicht auf Dauer dem Zweifel hinzugeben. Man soll Entscheidungen möglichst nicht unter Druck fällen, man soll abwägen und bedenken, beten und dann entscheiden. Dann darf man getrost sein, daß es gut so ist.
Anstehende Entscheidungen also vor Gott tragen, durchaus auf eine Inspiration hoffen - bleibt eine Erleuchtung aber aus, in aller Ruhe entscheiden?
Strachwitz: Und noch etwas ganz wichtiges: Ich soll meine Unterscheidung einem anderen vorlegen und mich seinem Urteil unterwerfen. Deswegen ist es wichtig, einen Beichtvater oder eine geistliche Begleitung zu haben, denen man gehorcht.
Du plädierst also tatsächlich für Gehorsam?
Strachwitz: Ja, demgegenüber, den ich gewählt habe oder der von amtswegen zu unterscheiden hat. Das ist sehr wichtig. Ich richte mich bei meinen Vorhaben nach dem, was der Bischof sagt. Neulich hat mich jemand von der Legio Mariae gefragt, was er in einer bestimmten Situation machen soll. Meine Antwort: “Frage den geistlichen Leiter!"
Sollte also jeder Christ, der sich bemüht, mit dem Herrn auf dem Weg zu sein, einen Seelenführer haben?
Strachwitz: Ich erinnere mich an das Wort eines Priesters: Heute ist es ein Luxus, den sich eigentlich kein Christ leisten kann, keinen solchen Begleiter zu haben. Allerdings ist es nicht immer einfach, einen zu finden.
Gibt es Personen, die eine besondere Fähigkeit zur Unterscheidung haben?
Strachwitz: Es gibt Personen, die dieses Charisma haben und dann gibt es das Hirtenamt, das ebenfalls zur Unterscheidung berufen ist. Deswegen sollen wir den Hirten auch wichtige Fragen zur Unterscheidung vorlegen. Sie gehen dann, wie ich selbst erfahren habe, recht nüchtern vor. Die Fakten des Lebens sind dann meist wichtige Unterscheidungshilfen. An ihnen kann man erkennen, wohin Gott führen will. Teresa von Avila sagt nicht umsonst, als Beichtvater sei ihr ein gescheiter lieber als ein nur frommer. In unserer Zeit, in der Emotion und mystische Erfahrungen wieder einen größeren Stellenwert gewonnen haben, ist es wichtig auf diese nüchterne Art der Betrachtung hinzuweisen. Viele Menschen meinen, sie hätten einen direkten Draht zum Lieben Gott. Da muß man vorsichtig sein. Die meisten Heiligen mit mystischen Erfahrungen, Erscheinungen, Auditionen, Visionen, haben all das sofort liegen und stehen gelassen, wenn die Pflichten des Gemeinschaftslebens oder Anordnungen der Oberen gerufen haben. Gehorsam ist entscheidend. Da ist es zumindest fragwürdig, zu sagen: “Aber Jesus sagt mir etwas anderes." Da kann es aber wohl schon auch zu quälenden Gehorsamskonflikten kommen. Der heilige Maximilian Kolbe hat gesagt, man könne sich nie irren, wenn man im Gehorsam lebt. Ein Heiliger, der so viel bewegt hat, unternahm nie etwas von sich aus, ohne seine Oberen entscheiden zu lassen. Indem er ihnen die Entscheidungen überließ, hat er ihnen nicht selten auch Probleme bereitet.
Gilt das auch für Laien?
Strachwitz: Da ist es ebenfalls sehr wichtig, einen anderen bei Entscheidungen beizuziehen. Ich denke auch an Ehegatten.
Sind denn auch die Ehepartner einander Gehorsam schuldig?
Strachwitz: Natürlich. In der Ehe wird es gut sein, wenn einer nichts ohne den anderen tut. Das wird beide stärken. Es ist für die Unterscheidung dessen, was wir tun und lassen, wichtig, daß wir uns da einem anderen anheimgebe.
Dr. Ernst Strachwitz ist Kurat in Wr. Neustadt. Mit ihm sprach Christof Gaspari.