VISION 20001/2002
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Warnung vor den falschen Propheten

Artikel drucken Das Mitläufertum als eine der großen Gefahren unserer von den Medien geprägten Zeit (Von Christa Meves)

Der Nachahmungstrieb ist wichtig für den Menschen. Auf diesem Weg lernt er Wesentliches in der Kindheit. Als Mitläufer-Effekt wird derselbe Hang aber für den Erwachsenen zur Gefahr, behindert er doch die Fähigkeit zur Unterscheidung...

Für die Kinder des beginnenden 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland ein Singspiel: Zwei sich gegenüberstehende Mädchen sangen - indem sie sich an den Händen gefaßt hielten - das Lied von einer goldenen Brücke, die der Wolf zerbrochen habe. Ein Trupp wartender Kinder wurde der Reihe nach in das Tor, das aus den Kinderarmen gebildet worden war, eingelassen. Dort mußten sie sich entscheiden, welches von zwei Früchten (meist Apfel oder Birne) sie wählen möchten.

War die Entscheidung gefallen zeigte es sich, ob sie gut oder schlecht war: Wer sich richtig entschied, wurde auf die Arme der beiden Akteure gelegt und so - von Engeln getragen - in den Himmel hineingewiegt. Die mit der falschen Entscheidung aber wurden zwischen den Armen der beiden Kinder “gerüttelt und geschüttelt" und singend in die Hölle geschubst, wie es unverblümt im Text ausgedrückt war.

Unbewußt agierten die Kleinen eine Gegebenheit unseres Lebens aus: die Notwendigkeit zur Unterscheidung der Geister. Diese ist in der Tat oft nur schwer möglich, weil sie keineswegs immer klar erkennbar ist. Welches ist die richtige Entscheidung für das Gute gegen das negative Folgen zeitigende Falsche und Böse, auf welche Seite müssen wir uns schlagen?

Um es in christlicher Terminologie auszudrücken: Ist es der Heilige Geist, sind es engelhafte, himmlische Geister, die zu dieser oder jener Lebensmöglichkeit, Vorstellung oder Erfindung inspirierten? Oder sind es Einflüsterungen der alten Schlange, des Gegenspielers unseres Herrn, die einst die “goldene Brücke", die unmittelbare Beziehung zwischen Gott und Mensch, zerbrochen haben? Denn das hatte zur Folge, daß die Fähigkeit, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, bei den Menschen jenseits von Eden eingetrübt wurde, weil sie sich von Gott losgelöst hatten.

Eines ist sicher: Die Geister zu unterscheiden, ist eine äußerst schwierige, oft recht brenzlige Angelegenheit, weil es nur oft genug an Klarheit der Erkenntnis mangelt. Die Genesis sagt es sehr deutlich: Unterscheidungsfähigkeit zwischen Gut und Böse ohne Gott kann es nicht geben.

Aussicht, das Richtige zu finden, ist deshalb allein möglich, indem wir uns an die Maßstäbe halten, die uns der gnädige Gott im Laufe der Geschichte mit Hilfe seiner Offenbarungen übermitteln ließ - mit Worten wie etwa durch den Propheten Micha; “Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott." (Mi 6,8)

Richtig, wir haben die zehn Gebote, richtig, wir haben die Erläuterungen dazu von Jesus Christus, vor allem mit dem Hinweis: “Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." (Mt 7, 15.-1)

Dennoch - so zeigt die Geschichte - tun wir uns damit immer wieder schwer, zumal die “Früchte" häufig erst nach langer Frist voll erkennbar werden, inzwischen aber über lange Strecken hinweg Teufelskreise, ja, geradezu Eskalationen ursprünglich falscher Entscheidungen eingetreten sind.

Schauen wir etwa auf das kommunistische System im Ostblock, das 70 Jahre lang das allein von Menschenhand erstellte “Arbeiterparadies" unter diktatorischer Abkehr vom Christentum versprach. Über Jahrzehnte hinweg wurde das Falsche der Entscheidung für die marxistische Ideologie nicht erkannt - selbst dann nicht, als unter Lenin und Stalin -zig Millionen hingeschlachtet worden waren. Erst der wirtschaftliche Zusammenbruch 70 Jahre später machte die Einsicht in das Falsche der Grundentscheidung vor aller Welt erkennbar.

Aber nicht nur die Unmöglichkeit, die Früchte unmittelbar zu erkennen, machen es uns schwer, die Geister zu unterscheiden: Es gibt eine Reihe weiterer typischer Hindernisse, die Menschen oft sogar über Generationen hinweg in die Irre gehen lassen.

Einer der Hauptgründe dafür liegt in einer elementar notwendigen Eigenschaft des Menschen: seinem Nachahmungstrieb. Ohne irgendwie unseren Verstand einzuschalten, lernen wir von Kindesbeinen an quasi automatisch von unseren Vormachern: die Kinder von den Eltern, den älteren Geschwistern, den Erziehern. Lernen durch Nachahmen ist die Grundvoraussetzung für jede Art von Höherentwicklung.

Aber dieser Lerntrieb ist wie alle Triebe blind. Er läßt sich zu böser Manipulation unmündiger Nachläufer mißbrauchen. Wenn uns diese Gegebenheit nicht bewußt ist, kann durch diesen Trieb auch noch im Erwachsenenalter ein blindes Mitlaufen entstehen.

Denn Gemeinsamkeit des Denkens und Handelns führt zu einem Gefühl der Befriedigung. Man ist im Einklang mit dem “Leithammel", ja, nicht nur mit ihm, sondern mit den vielen, die unisono auf dem gleichen Ton blöken (dieser Vergleich ist keine Beleidigung. Christus hat uns zurecht oft mit Schafen verglichen, um uns auf die Gefahr des blinden Mitlaufens aufmerksam zu machen.)

Ein großer Teil des Riesenerfolgs von Adolf Hitler bei der Verführung des deutschen Volkes lag daran, daß er die Massen zu einem einstimmigen Gleichklang brachte und sich mit demagogischem Geschrei zum Leithammel hochstilisierte. Gleichklang, der vom Geist an der Spitze vermittelt wird, macht unbändig glücklich, weil der Mensch wähnt, das Richtige gewählt zu haben, das Richtige zu tun, eben weil eine Vielzahl der gleichen, scheinbar einzig wahren Meinung sind.

Eine vielkehlige Meinung allein kann aber niemals ein Maßstab zur Unterscheidung der Geister sein.

Allerdings: Wer nun in der Nachkriegszeit hoffte, daß diese zwölfjährige “faule Frucht" den Menschen zu grundsätzlichem Lernprozeß gereichen würde, sah sich getäuscht. Auch heute sind - dieses Mal unter den Leithammeln der Fernsehmacher - Mehrheiten der Meinungsbildung entstanden, die ebenfalls als gültiger Maßstab untauglich sind und dennoch für viele Menschen als solcher dienen. Der Einklang mit der Masse täuscht ihnen vor, richtig zu liegen und beschenkt sie so mit einem Gefühl von Geborgenheit.

So ist etwa seit 30 Jahren der Sex - nun abgelöst von der Fortpflanzung, der die Sexualität eigentlich dient - zu einem Absolutum erkoren worden mit dem Ergebnis, daß die Bevölkerung in den Industrienationen sich mittlerweile einem Genozid ausgesetzt hat, Sex von der Wiege bis zur Bahre mit einer Vielzahl verheerender, unglücklich machender Frauen- und Geschlechtskrankheiten, an der Spitze die tödliche Krankheit Aids.

Trotz der erschreckend negativen Bilanz nehmen Eltern für ihre Töchter einen Gebärmutterhalskrebs im jungen Erwachsenenalter in Kauf, statt sie in der Jugend vor Pille und Abtreibung zu warnen. Dabei genügte ein einziger Blick auf die katholische Lehre, in eine der biblisch fundierten Enzykliken des Papstes, um zu einer Unterscheidung der Geister zu kommen und damit die Chance für eine glückliche Zukunft der Tochter zu erhöhen.

Was hält außer dem blinden Mitlaufen im modischen Trend davon ab? Vor allem die vielen raffinierten Gegenargumente, etwa man solle dem Kind das Liebesglück vergönnen nach dem Motto: “Früh übt sich, was ein Meister werden will".

Das aber muß uns klar sein: Argumente lassen sich für die schändlichsten Taten finden. So diente der Slogan, die Frau habe “ein Recht über ihren eigenen Bauch" dazu, das gesetzliche Verbot der Abtreibung zu unterminieren. Ohne den biblischen Maßstab, der uns die Unverfügbarkeit des Menschen und die Beachtung von göttlichen Vorgaben lehrt, sind wir nur allzu rasch verstrickt, zumal wenn die Argumente plausibel erscheinen und heimlich egoistischen Interessen dienen.

Besonders schwer ist die Unterscheidung der Geister, wenn ein genial begabter Mensch aus der Allgemeinheit hervorzuragen beginnt, beglückende Veränderungen verspricht und tatkräftig anzuberaumen beginnt, während der Maßstab Gottes hinter diesem Glanz und den einfallsreichen Neuerungen geradezu wegzutauchen scheint. Nicht umsonst hat Christus vor “falschen Propheten" gewarnt. Da der Mensch geradezu “genetisch religiös" ist - wie Genforscher kürzlich festgestellt haben - besitzt der nicht degenerierte Mensch ein elementares Bedürfnis zur Anbetung. Infolgedessen gerät er nur allzu leicht in die Fänge eines Gurus.

Wenn da nicht sorgsam dessen Grenzüberschreitungen, Verletzungen der Menschenwürde und Mißachtung der Selbstbestimmung der ihm Zulaufenden beachtet werden, können die Verführten in einen dämonischen Sog geraten. Man denke nur an die kollektiven Selbstmorde einiger Sekten, Folgen der Hörigkeit dem dämonischen Anführer gegenüber, der seine Anhänger ihrer Realitätskontrolle beraubte.

Grundsätzlich gilt: Verbreiter von Verheißungen, die Befreiung von Gottgehorsam vorgaukeln, können ihre Versprechungen nicht einlösen. Sie liefern vielmehr grundsätzlich der Orientierungslosigkeit und damit der geistigen Schutzlosigkeit aus. Und damit setzt nur allzu oft diesseits (und jenseits) des Lebens jenes “Geschüttelt- und Gerütteltwerden" ein, von dem die Kinder einst so unwissend sangen...

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