Die Glaubenskrise in der Kirche ist Ausdruck der umfassenden Kulturkrise, aber auch Folge einer Art von Selbstsäkularisierung, für die die Organe der Kirche, etwa auch die Inhaber des Bischofsamtes, mitverantwortlich sind. Nicht wenige Bischöfe verkennen die Bedrohlichkeit der Lage, andere deuten die Trennungstendenzen im Glauben als fruchtbare Spannungen, die in Zukunft zu einer neuen Synthese führen könnten, und verstehen ihren Dienst als “Amt der Moderation" zwischen gegensätzlichen Positionen.
Dieses Verständnis des Bischofsamtes ist mancherorts so weit verbreitet, daß der Episkopat faktisch nicht nur einen Autoritätsverlust erleidet, der von außen kommt, sondern selbst ungewollt einen Autoritätsverzicht leistet, der von innen kommt. In der Folge wird das Hirtenamt des Bischofs verharmlost und auf die menschliche Sorge um die Gläubigen, das verständnisvolle Entgegenkommen und die Anerkennung der Charismen der christgläubigen Laien reduziert. Auf diese Weise übersieht man den inneren Gehalt dieses Amtes, mit dem eine klare und unmißverständliche Leitungspflicht verbunden ist, die auch ein jurisdiktionelles Element beinhaltet.
Aus dieser Analyse ergibt sich für die Oberhirten die Notwendigkeit eines kraftvollen Zeugnisses in Vollmacht. Der Bischof ist kein frommer gläubiger Privatmann, sondern ein öffentlicher Zeuge.
Er muß die in der kirchlichen Welt vorhandenen Anliegen zur Sprache bringen - und das nicht nur, um sich selbst zu salvieren, sondern auch um den Glauben zu verteidigen, die Irrtümer zu korrigieren und die Wahrheit tiefer zu befestigen. Er kann nicht von der wirklichen Verfassung des Glaubens in der Gesellschaft absehen, sondern muß unter Bezugnahme auch auf seine Gefährdung und Beschädigung von ihm Zeugnis ablegen.
Die Vollmacht des Bischofs zum “testimonium fidei" beschränkt sich nicht nur auf die reine Verkündigung. Ihm kommt auch das besonders aus der Leitungsvollmacht erfließende Lehrurteil zu, das nach Normierung, Rektifizierung und Justifizierung der Glaubenslehre verlangt. Die “potestas testandi" gewinnt ihre Vollkraft in der “potestas judicandi". Die Bischöfe sind folglich nicht nur berufen, den Glauben zu bezeugen, zu nähren und zu pflegen, sondern ihn auch zu beurteilen, zu regeln und als den rechten Glauben zu gebieten.
Das allerdings geschieht nicht in voller Selbständigkeit und Unabhängigkeit, sondern erfordert die Einheit mit dem universalen Richteramt des Papstes. Vor diesem Hintergrund ist der Bischof in der Auseinandersetzung um den Glauben dazu berufen und befähigt, auf dem Gebiet seiner Diözese und unter Rückhalt an der universalen Glaubenslehre das Urteil über wahr und falsch zu sprechen. Aufgrund dieser geistgewirkten Urteilsfähigkeit vermag der Bischof seiner Kirche als Richt- und Leuchtkraft des Glaubens zu dienen. Von daher empfängt der Satz seine Bestätigung: “Wo der Bischof ist, da ist auch die Kirche."
Wortmeldung im Rahmen der 3. Generalkongregation der Bischofssynode am 2.10.2001