VISION 20001/2010
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Die Menschenrechte: eine neue Religion

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Die Menschenrechte sind das neue Dogma der heutigen europäischen Gesellschaft. Es erlaubt keine Kritik, keine Infragestellung. In einer ethisierenden Zivilreligion nehmen sie die höchste Stelle ein. Demnächst sollen die Menschenrechte in die Charta der Grundrechte der EU aufgenommen werden. Für alle Länder, die den „vereinfachten Vertrag“ als Ersatz für die gescheiterte europäische Verfassung, ausgehandelt im Juni 2007, ratifizieren, wird diese dann zwingend. Was beinhaltet diese Charta konkret?
n Die Charta diskriminiert das Recht jedes Menschen auf Leben, denn nicht berücksichtigt werden die ungeborenen Kinder, die immer Opfer der Abtreibung werden können, und auch nicht die Alten und Kranken, denn man hat die Klausel der vorigen Konvention gestrichen. Danach durfte „niemand absichtlich getötet werden“. Die Tür zur Euthanasie und zum verordneten Selbstmord (unter ärztlicher Assistenz) ist damit für alle geöffnet.
n Es gibt ein Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen (Art. 9), wobei es nicht mehr nötig ist, sich festzulegen, ob man einen Mann oder eine Frau heiraten will. Alle gleichgeschlechtlich Orientierten werden damit vor dem Staat den Bund der Ehe schließen und in den Genuß der entsprechenden Rechtsgüter kommen können. Dazu zählt auch das Recht, Kinder zu adoptieren. Sie werden es um so mehr tun können, da sie wegen des „Rechts auf freie sexuelle Orientierung“ keine Diskriminierung zu erwarten haben (Art. 2 1).
n Bei der Erziehung ihrer Kinder haben die Eltern die „demokratischen Werte“ (Art. 1,4) zu respektieren.
Betont wird auch die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau „in allen Bereichen“, was die Religion einschließt (Art. 23). Hier könnte sich in Zukunft die Strafverfolgung wegen widerrechtlicher Diskriminierung gegen kirchliche Amtsträger herausdrehen lassen, da die Kirche es für Frauen ausschließt, durch Weihe zu den geistlichen Ämtern zu gelangen.
Es wird eine völlige Privatisierung der Religion verordnet, denn Religion gefährdet die Freiheit in der Gesellschaft. Darum muß „eine Vereinbarung getroffen werden, die den religiösen Gemeinschaften eine Einmischung in Fragen, die rein weltlich bleiben müssen, untersagt.“
„Wo die Ausübung der Religion mit den Menschenrechten oder dem öffentlichen Interesse in Konflikt zu geraten scheint, ist es die erste Pflicht der Regierungen, den demokratisch ausgedrückten Willen der Bürger zu respektieren.“ Dies sind die wesentlichen Marksteine auf dem Weg zu einer neuen Dogmatik, wie sie die Religion der Menschenrechte hervorbringt. Sie duldet keinen Widerspruch und verbannt Geltungsansprüche, die sich aus religiösen Ambitionen speisen, in die Sakristei.

Michael Stickelbroeck

Der Autor ist Professor für Dogmatik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten.
Sein Beitrag ist ein Auszug aus Die Botschaft von Fatima und die christliche Identität Europas in In den letzten Tagen werden schlimme Zeiten hereinbrechen. Von Reinhard Dörner (Hrsg), Berichtband der Osterakademie Kevelaer 2009, Verlag Kardinal-von-Galen-Kreis.

 

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