VISION 20001/2010
« zum Inhalt Schwerpunkt

Die Religionen sind nicht gleich

Artikel drucken Korrektur eines verbreiteten Irrtums: (Von P. Anselm Günthör OSB)

Letztlich seien alle Religionen gleich, alle seien Wege zu Gott - eine in Europa heute weitverbreitete Vorstellung. Sie ist allerdings grundfalsch - und nicht mit den Lehren des II. Vatikanischen Konzils zu vereinbaren.
Die Beurteilung der Religionen als zwar äußerlich verschiedene, aber wesentlich auf ein und dasselbe Ziel ausgerichtete Wege findet heute viel Sympathie und Zustimmung. Deshalb ist das Interesse für die Meditationsmethoden der asiatischen Religionen in Europa sehr lebendig.
Die Tendenz, die Religionen auf diese Weise in Einklang zu bringen, ist nicht ganz neu. Als die christliche Religion unter Kaiser Konstantin zu Beginn des 4. Jahrhunderts im Römischen Reich Anerkennung, sogar Förderung fand, suchte der heidnische römische Senator Symmachus zu beweisen, daß die heidnische römische Religion legitim neben der christlichen Religion weiterhin bestehe. Seine Worte: „Das Gleiche ist es, was alle verehren, eines, das wir denken, dieselben Sterne schauen wir, der Himmel über uns ist eins, dieselbe Welt umfängt uns; was macht es aus, auf welche Art von Klugheit der einzelne die Wahrheit sucht? Man kann nicht auf einem einzigen Weg zu einem so großen Geheimnis gelangen.“
Wie verbreitet die Theorie, die die unterschiedlichen Religionen als Wege zum selben Ziel ansieht, auch heute ist, hat sich Ende 2006 in der Erzdiözese Köln gezeigt. Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln, hatte für die katholischen Schulen in der Erzdiözese die multireligiösen Feiern untersagt. Die katholischen Religionslehrer in den staatlichen Schulen hatte er angewiesen, solche Feiern nach Möglichkeit zu verhindern, auf jeden Fall die Teilnahme der katholischen Schüler zu unterbinden. Mit multireligiösen Feiern sind solche Veranstaltungen gemeint, in denen die Teilnehmer gemeinsame Gebete sprechen, obwohl sie verschiedenen Religionen zugehören, z.B. die einen der katholischen Kirche, andere dem Islam. Die Verfügung des Kardinals ist nicht allein in der Erzdiözese, sondern auch in der breiteren Öffentlichkeit auf heftige Kritik gestoßen. Die Kritiker zeigten, wie die Theorie der Religionen als Weg zum selben Ziel bereits weithin angenommen ist.
Die multireligiösen Feiern in den Schulen sind zunächst aus religionspädagogischen Gründen unangebracht: Das Kind wird in seiner religiösen Entscheidung verunsichert und verwirrt, und dies gerade in einem Alter, in dem es Orientierung, nicht Orientierungslosigkeit benötigt. Die Theorie der Religionen als Wege zum selben Ziel steht im Gegensatz zur Wirklichkeit. Die Religionen streben zum Teil nach grundverschiedenen Zielen. In asiatischen Großreligionen ist das Ziel nicht der persönliche Gott, sondern eine weithin unbestimmte göttliche Wirklichkeit, eine höchste Macht, ein oberstes Prinzip, Licht und Dunkel, Sein und Nichtsein. Der eigentliche Buddhismus anerkennt keine Gottheit. Der christliche Glaube ist dagegen ganz auf den dreipersönlichen Gott, auf Vater, Sohn und Heiligen Geist ausgerichtet. Wo das Ziel so verschieden ist, sind auch die Wege zum Ziel jeweils ganz anders.
                                                                                *
Im Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes sagt das Zweite Vatikanische Konzil mit der notwendigen Zurückhaltung über die Heilsmöglichkeit in den nicht- christlichen Religionen: „Gott kann Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die Er weiß, zum Glauben führen“ (Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Nr. 7).
In der Dogmatischen Konstitution über die Kirche spricht das Konzil noch deutlicher. Der Heilswille Gottes umfaßt die dem jüdischen Volk Zugehörenden, dann die Muslime, weiterhin die unter Schatten und Bildern Gott Suchenden, sogar die Atheisten, die theoretisch Gott leugnen, aber im Anruf des Gewissens Ihn ahnen und Ihm folgen. Gott kann ihnen das Heil schenken und schenkt es denen, deren Herz offen ist und die Ihn durch ihr sittliches Leben suchen. Das Heil, das Gott ihnen schenkt, verbindet sie mit Christus, der auch für sie der Erlöser ist, und in Christus sind sie mit seiner Kirche verbunden, auf sie hingeordnet. So gilt auch in diesem Fall, daß es kein Heil gibt ohne Christus und ohne Seine Kirche.
Die Lehre der Kirche darf nicht in dem Sinne mißverstanden werden, daß die nichtchristlichen Religionen letztlich in gleicher Weise wie die Kirche Vermittlerinnen des Heils und auch unter diesem Gesichtspunkt alle Religionen gleich seien. Das Konzil schreibt nicht den nicht-christlichen Religionen als solchen die Heilsvermittlung zu, sondern den einzelnen Nichtchristen, unter der Bedingung, daß sie den wahren Gott suchen und ihr Leben im Hören auf das Gewissen führen. Sie finden das Heil nicht durch die nichtchristliche Religion, sondern durch die Gnade Gottes in Christus und durch ihr persönliches religiöses Streben.
Papst Benedikt XVI. schreibt: „Das Heil liegt nicht in den Religionen als solchen, sondern es hängt mit ihnen zusammen, sofern und soweit sie den Menschen auf das eine Gute, auf die Suche nach Gott, nach Wahrheit und Liebe bringen.“

Auszüge aus: Sind alle Religionen gleich? Die Antwort Papst Benedikts XVI. Von Anselm Günthör OSB, fe-Verlag, Kisslegg, 80 Seiten, 3,80 Euro. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11