Das Jahr des Priesters kommt gerade rechtzeitig, um uns Christen bewußt zu machen, zu welch großer Aufgabe Priester berufen sind - wie gefährdet diese Berufung aber auch ist.
In diesen Tagen kam ich mit drei jüngeren Priestern ins Gespräch, die mir sagten, daß sie „am Ende“ seien und nicht wüßten, wie lange sie noch Pfarrer sein könnten.
Es ist nicht die Seelsorgearbeit, die ihnen zuviel wird, sondern es ist die allgemeine Kirchensituation heute, in der sie aufgerieben und krank gemacht werden: Eine verweltlichte Volkskirchlichkeit, die in vielen Teilen nach außen „Kirche“ vortäuscht, in Wirklichkeit aber hohl und leer ist, dem Antikirchlichen, ja, Antichristlichen oft näher steht als dem Geist des Herrn. „Ich habe den Eindruck, mit viel Aufwand einen Betrieb zu verwalten und aufrecht zu erhalten, der eigentlich schon tot ist,“ sagt einer der Priester.
Dazu kommt, daß diese Priester, die für ihr Volk „Geistliche“ sein möchten, oft kaum mehr Zeit für das Gebet und die tägliche Schriftlesung finden. Nicht selten haben sie zwei, drei Pfarreien zu „versorgen“ und hetzen von Termin zu Termin. Da kommt eines Tages die Stunde, wo es ihnen der Heilige Geist nicht mehr erlaubt, weiterhin „Sakramenten-Kurier“ zu spielen und sich für den „Partyservice“ am übersättigten Konsumchristentum mißbrauchen zu lassen (Erstkommunion, Hochzeiten, Firmung).
Aber dies ist nicht bloß die Situation vieler Priester, es ist die Situation auch vieler Bischöfe. Dann kommt hinzu, daß sich heute viele Priester auch von ihren Bischöfen alleingelassen fühlen, weil auch diese - in noch unvergleichlich höherem Maße als die Priester - von der Last ihres Amtes erdrückt werden und kaum mehr Zeit für die Seelsorge an ihren Priestern finden.
Frustrierend, ja krankmachend sind für viele Priester und Bischöfe die zermürbenden innerkirchlichen Spannungen, die oft lieblosen, ja, antikirchlichen Auseinandersetzungen in Pfarrgemeinden, in Pfarrei- und Kirchenräten. Die Einheit der Kirche ist zerbrochen wie ein zerschmetterter Krug. Die „Einheit“ besteht in manchen Pfarreien fast nur noch aus einem Haufen Scherben, mit denen man sich gegenseitig Kratzer und Wunden, bisweilen tiefste Verletzungen zufügt. Dieser Selbstzerfleischung hält heute kaum mehr ein Priester, kaum mehr ein Bischof über viele Jahre stand.
Dann kommt für viele gute Priester noch ein Kreuz hinzu, das nicht sein müßte: Oft erleben sie, wie ausgerechnet die „Frömmsten“ lieblos an ihnen herumnörgeln und -kritisieren und sie im Stich lassen, weil sie nicht allen ihren religiösen Vorstellungen und Wünschen entsprechen, weil sie sich nicht für alle „himmlischen Botschaften“ begeistern können, weil sie nicht jede Andacht in der Kirche einführen können … Dabei folgen diese Priester bloß der pastoralen Klugheit, wenn sie sich in diesen Dingen bewußt zurückhalten. Für nicht wenige dieser Leute ist das ein Grund, sich aus der Pfarrei zurückzuziehen und sich „frömmere Priester“ zu suchen.
Dann haben sich - im Gefolge eines „nachkonziliaren Umsturzes“ an vielen Orten - nicht wenige Gläubige aus ihren Pfarreien zurückgezogen. Sie treffen sich - nach Jahrzehnten - in eigenen Kapellen und Gebetsräumen, um zusammen die „alte Messe“ zu feiern. So fehlen heute vielen Priestern in den Pfarreien gerade diese „Ernsten und Treuen im Lande“, die ihre Arbeit mittragen könnten.
Diese Gruppen und Menschen kann ich nicht genug ermutigen - auch im Blick auf die Kinder, die ein Recht darauf haben, sich als Glieder der einen großen Weltkirche zu fühlen und nicht als Kinder einer „Sekte“ - im Sinne des Motu proprio Benedikts XVI. vom 14.09.2007 ihr Ghetto zu verlassen und in der Pfarrkirche ihren Got_tesdienst zu feiern und dort ihr Licht leuchten zu lassen. Wo immer sich die Möglichkeit bietet, Brücken zu bauen, soll diese Chance wahrgenommen werden, denn auch solche Spaltung ist Gottesverrat, wenn sie behoben werden kann. (Siehe Glaubensspaltung ist Gottesverrat, von Klaus Berger, Pattloch 2006).
Ich möchte alle Leser zu einer Gewissenserforschung einladen. Bitte fragen Sie sich im Angesicht des gegeißelten und zerrissenen Leibes unseres Herrn: Trage ich mit dem, was ich als Christ praktiziere, was ich spreche, schreibe, denke, bete, hoffe, liebe, glaube... zur Einheit der Kirche bei, zur Einheit im Geiste, zur vollkommenen Einheit in der Liebe? Bin ich bereit, dafür persönliche religiöse Liebhabereien aufzugeben und wenn es sein muß, dafür auch Opfer zu bringen? Darum kann ich Sie nicht genug bitten, ja, im Namen des Herrn anflehen:
n Überwindet alles Trennende, alles Aus- und Abgrenzende in den eigenen Reihen und bemüht euch mit allen Kräften um die innere Einheit in der Liebe. Laßt euch nicht entmutigen durch den Widerstand jener, die nicht mitmachen. Wer an der so notwendigen Einheit mitarbeitet, verbindet die Wunden am zerschlagenen Körper unseres Herrn.
n Sucht immer die liebende und auch mittragende Einheit mit dem Bischof eurer Diözese. Tut nichts gegen ihn. „Im Bischof sehe man den Hohepriester seiner Herde, von dem das Leben seiner Gläubigen in Christus gewissermaßen ausgeht und abhängt.“ (II. Vatikanum, Liturgie 41) Laßt euren Ortsbischof nicht allein. Laßt ihn eure Liebe spüren durch konkrete Zeichen und Taten! „Wer einem von diesen Kleinen [gemeint sind alle Jünger Jesu] auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - amen, ich sage euch: Er wird gewiß nicht um seinen Lohn kommen.“ (Mt 10,42)
n Laßt auch die Priester, Seelsorger, Religionslehrer, die in der Einheit mit der Kirche ihren oft so mühsamen Dienst tun, nicht allein. Zieht euch nicht von ihnen zurück, weil sie nicht in allem exakt euren Wünschen und Vorstellungen entsprechen. Bringt euch vielmehr in euren Pfarreien ein. Unterstützt das Gute, das getan wird - es ist viel! - und tragt es mit. Ermutigt eure Priester, wo ihr nur könnt. Seid Sauerteig der Liebe und der Einheit. Denn was sollen die wenigen Priester und Lehrer noch tun, wenn sie von den „Treuen im Lande“ auch noch im Stich gelassen werden? Wie viele Priester sind in den letzten Jahren gerade daran zerbrochen!
n Tragt Sorge für eure Pfarreien. Verlaßt sie nicht leichtfertig, denn die Pfarrei ist jener heilige Ort, der „auf eine gewisse Weise die über den ganzen Erdkreis hin verbreitete sichtbare Kirche darstellt“ (II. Vaticanum, Liturgie 41). Und die Mitte jeder Pfarrei ist Jesus Christus selbst. Er ist da in jeder Kirche, jedem Tabernakel. Er bleibt, wenn alle gehen, wenn Ihn auch alle verraten. Er bleibt, Er harrt aus und betet zu Seinem Vater für Seine verirrten und an mitleidender und mittragender Liebe so ar_men Kinder. Wollen wir Ihn wirklich allein lassen? Besucht darum, so oft es euch möglich ist, Jesus im Tabernakel eurer Pfarrkirche.
Darf ich Ihnen zum Schluß noch ein Wort unserer neuen Schweizer Heiligen, Maria Bernarda, mitgeben? Sie hat ein Leben lang in „schwindelerregender Weise“ für die Kirche gebetet und geopfert, vor allem für die Priester. Christus hat ihr Gebet angenommen und sie oft ermutigt, darin nicht nachzulassen.
In einer persönlichen Aufzeichnung schreibt die Heilige einmal: „Heute hatte ich eine kurze, aber sehr ergreifende Anschauung im Geiste. Jesus ließ mich in wenigen Augenblicken die fast unfaßbare Würde und Aufgabe der Gesalbten Gottes [Priester] erkennen. Neben dieser geradezu wunderbaren und geheimnisvollen Größe der Priester stellte Er mir diese aber auch als Menschen vor, die von Natur aus sehr schwach sind. Darauf sagte Er mir innerlich: Erkennst du, was ich dir damit sagen will? (…) Siehe, alle in der Kirche und in der Welt sollen viel mehr und beharrlich für Meine Priester beten. Ja, Menschen sind sie, und als solche Tausenden von Gefahren ausgesetzt, und Satan stellt ihnen nach mit Wut und List und Ränke aller Art (…) In dem Maße, wie Meine Gesalbten sinken, sinkt die ganze Welt. Wer am meisten mit Gebet und Buße zur Bekehrung der im Eifer erlahmten Priester beiträgt, der wirkt die größten Werke für Meine Braut, die heilige Mutter Kirche.“
Das ist eine Einladung an uns alle, die dringlichste vielleicht angesichts der ungeheuren Bedrängnis und Not der Kirche heute, angesichts des schmerz- und leidvollen Umbruchs und des Umbaus von der Volkskirche zur kleinen Herde. Gerade das aufrichtige, opferbereite und inständige Gebet für die Priester und die Bischöfe bewahrt uns am sichersten vor Überheblichkeit und Kritiksucht an ihnen und vor der subtilen, stets lauernden Gefahr, aus der liebenden Einheit mit der einen Kirche - das heißt aus der Liebe Jesu - herauszufallen.
„Wer am meisten mit Gebet und Buße zur Bekehrung der im Eifer erlahmten Priester beiträgt, der wirkt die größten Werke für Meine Braut, die heilige Mutter Kirche.“ Laßt es uns tun! Ja, laßt es uns wirklich tun!