Konstantin Spiegelfeld ist Pfarrer im 2. Wiener Gemeindebezirk. Im folgenden ein Gespräch über seine Berufung, seinen Alltag, sein Selbstverständnis als Priester…
Du hast erst als Erwachsener, im Berufsleben stehend, Deine Berufung zum Priester erfahren. Kannst Du etwas darüber erzählen?
Konstantin Spiegelfeld: Ich war Diplomingenieur für Maschinenbau, habe in der Papierindustrie gearbeitet, sowohl in Österreich wie in Südafrika. Meine Berufung erlebte ich in Mariazell. Während eines Dienstes bei den Maltesern in der Basilika ist erstmals in meinem Leben plötzlich der Gedanke dagewesen: Ich könnte Priester werden. Von da an hat es noch 1,5 Jahre gedauert, bis ich tatsächlich ins Priesterseminar eingetreten bin.
Wie ist aus diesem Gedanken eine Berufung geworden?
Spiegelfeld: Ich wußte damals nicht, wie man die Geister unterscheiden kann. Bei zwei Wochenenden in Kremsmünster hat mir ein Pater diesbezüglich geholfen. Am Freitag Abend, als ich ankam, hat er mir jeweils 20 Fragen vorgelegt und gesagt: „Wir treffen uns Sonntag Abend wieder. Dann sprechen wir über Deine Antworten.“ Die beiden Kremsmünsteraufenthalte - sie fanden in einem zeitlichen Abstand statt - haben mir geholfen, die Geister zu unterscheiden. Fünf Jahre später, als Diakon, habe ich 30tägige ignatianische Exerzitien gemacht. Das war dann eine vertiefte Form der Unterscheidung. Es geht darum zu erkennen, ob der Impuls von einem selber oder von auswärts kommt, ob es meine Privatidee ist oder ein Anruf Gottes.
Das Ergebnis der Unterscheidung war dann: Gott beruft Dich zum Priester…
Spiegelfeld: Genau. Ich habe in dem Impuls den Anruf Gottes erkannt. Die sechs Jahre im Priesterseminar haben das bestätigt.
Als Du Priester geworden bist: Welche besondere Dimension ist da in Dein Leben gekommen?
Spiegelfeld: Früher war das Berufsbild klar: Ein Priester verwaltet die Sakramente, geht unterrichten, hört die Beichte… Von seinem persönlichen Leben haben die meisten Menschen - außer wenigen Vertrauten - wenig gewußt. Heute sind wir in einer besonderen Lage: Es geht um das Sein des Priesters, weniger um einen Beruf. Ich bin für die Menschen da. Priester zu werden, ändert die eigene Existenz. Diese Existenzweise hat nüchterne Aspekte, das, was ein anderer Mensch als Arbeit bezeichnen würde (Verwaltung, Verhandlungen, Planungen…). Und dann besteht diese Exis_tenz_weise im Dasein für andere, in der Feier der Sakramente, im Eintreten für sie im Gebet, im Feiern zur Ehre Gottes…
Du erlebst Dich also als Mensch für die anderen?
Spiegelfeld: Ein Hauptauftrag des Priesters besteht darin, im Glauben zu wachsen und dadurch Mittler und Vorbild, also Hirte für andere Menschen zu sein. Das ist mein Grundauftrag.
In welcher Form artikuliert sich diese Berufung im Alltag?
Spiegelfeld: Nur gelebter Glaube fasziniert. Ich muß nicht alles wissen, nicht alles richtig machen - aber lebendig glauben, selbst bereit sein, immer wieder neu zu beginnen und auf andere zuzugehen. Heute ist die Amtsautorität viel geringer als früher. Viel mehr zählt die persönliche Autorität. Bei manchen mag das Amt noch einen gewissen Vertrauensvorschuß bedeuten, bei anderen aber ist es ein Negativum. Daher ist die eigene Got_tesbeziehung so wichtig, damit man auch bei diesen Menschen einen Raum zu öffnen vermag, in dem sie Gott entdecken können. Ich bin als Priester ja auch einer, der Räume für die Gottesbegegnung öffnen soll. Der Priester hat die besondere Aufgabe, die geistige Tiefe der Kirche zu leben und den Menschen ans Herz zu legen: Gott ist es, der als erster handelt, nicht wir. Wir geben Antwort auf das, was Gott schon getan hat. Daher ist die Eucharistie auch die Mitte der Kirche. Wir Priester sind dazu da, all das zu vermitteln, was von Gott kommt.
Bist Du als Priester einsam?
Spiegelfeld: Nein, nicht wirklich.Ich lebe in der Pfarrgemeinschaft, pflege vielfache Freundschaften, bin verbunden mit einer großen Familie, bin Mitglied der Malteser - mit jungen und älteren Mitgliedern und den von uns Betreuten - und bin durch das Presbyterium in eine Gemeinschaft mit Papst, dem Bischof und vielen Mitbrüdern im priesterlichen Dienst gestellt. Mit etlichen von ihnen bin ich vertraut. Zölibatär zu leben, heißt nicht beziehungslos zu leben. Ganz im Gegenteil! Die innere Freiheit und Verfügbarkeit ist größer.
Pflegst Du den Kontakt mit anderen Priestern regelmäßig?
Spiegelfeld: Ja - Seit der Priesterweihe sind wir eine Gruppe von fünf Priestern. Wir treffen uns regelmäßig einige Stunden pro Monat, machen gemeinsam Exerzitien - und ab und zu ruft einer an und wir gehen ein Bier trinken. Wir kennen einander, unkompliziert. Das ist sehr schön. Da können wir auch all das erzählen, was uns Freude bereitet und was nicht so gut gegangen ist.
Die Kontakte, die Du zu anderen Priestern pflegst, sind also so geartet, daß Ihr Euch gegenseitig in Eurem Dienst stützt?
Spiegelfeld: Ja. Das ist natürlich etwas anderes als die für mich sehr wichtige monatliche geistige Begleitung mit der Feier des Sakraments der Versöhnung. Aber von den Priestern, mit denen ich einen freundschaftlichen Kontakt pflege - da gibt es auch einige, die in der Nachbarschaft leben, oder mit denen ich durch andere Umstände oder besondere Aufgaben vertraut bin -, kann ich mir nicht nur Tips in einer bestimmten Situation holen, sondern sie auch um ihr Gebet für eine bestimmte Aufgabe bitten, daß ich sie gut bewältige. Diese geistige Verbundenheit ist mir sehr wichtig.
Bist Du in Deiner Kleidung als Priester zu erkennen? Welche Erfahrung machst Du damit?
Spiegelfeld: Normalerweise bin ich als Priester zu erkennen und ich mache damit gute Erfahrungen. Die Menschen sollen wissen, daß ich Priester bin. Ich lebe im 2. Wiener Gemeindebezirk: Da erkennt man die gläubigen Juden, die Frauen mit der Burka - sollte man da nicht auch den Priester erkennen? Sicher, das darf nicht nur ein äußerliches Zeichen sein; wesentlich ist, daß ich im Herzen Priester bin. Aber die äußeren Zeichen sind nun einmal wichtig. Außerdem fordert es mich heraus, mich mit meiner Sendung, meinem Dienst zu identifizieren.
Das Gespräch führte CG.