Die Märtyrer sind der Nährboden, auf dem lebendige Kirche wächst. Es sind jene Zeugen, die zum totalen Einsatz ihres Lebens bereit sind. Sie sind gerade in unseren Tagen sehr zahlreich. Im folgenden das kurze Portrait eines evangelischen Pastors, eines Glaubenszeugen im kommunistischen Rumänien.
Die Märtyrer bildeten den Prototyp der liturgisch verehrten Heiligen. Erst später kamen die „Bekenner“ und „Jungfrauen“ hinzu. Im Neuen Testament bedeutet „Märtyrer“ (martys) einfach Zeuge. Jesus bezeugte die Erlöserliebe Gottes bis zur Vergiessung seines Blutes. Darum ist er der „treue Zeuge“ (Offb 1,5; 3,14). Ihm besonders nahe stehen die Jünger wie der Diakon Stephanus, die die Treue zu ihm mit ihrem Blut besiegelt haben. So bekam „Märtyrer“ den Sinn von „Blutzeuge“. Man war überzeugt, dass die Märtyrer am Throne Gottes für uns eintreten. Ihre Verehrung motivierte die Christenheit, auch unter Verfolgung dem Glauben an Jesus „treu bis aufs Blut“ (Hebr 12,4) zu bleiben. Den Wert ihres Lebensopfers schöpften sie aus dem Opfer Christi, weshalb man gern die Eucharistie über ihren Gräbern (oder Reliquien) feierte.
Viele Christen sind sich nicht bewusst, dass auch heute unzählige Christen um ihres Glaubens willen verfolgt und mit dem Tod bedroht werden und lassen sie im Stich. Ein einzigartiger Zeuge der heutigen Märtyrerkirche, der wie kein anderer uns die Tragweite der heutigen Märtyrersituation zu erschließen vermag, ist der rumänische, evangelisch-lutherische Pastor Richard Wurmbrand.
Er wurde 1909 als vierter Sohn einer deutsch-jüdischen Zahnarztfamilie in Bukarest geboren. 1918 starb der Vater, und die Familie verarmte. Mit 16 Jahren wurde er glühender Kommunist und Atheist. Als Geschäftsmann brachte er es später, nicht immer ehrlich, zu einigem Wohlstand und genoß das Leben. 1936 heiratete er Sabine Oster, die ebenfalls jüdischer Abstammung war.
Beeindruckend ist, wie er 1937 zum christlichen Glauben fand. Er beschreibt es so: „Hitler war an der Macht. In einem kleinen Dorf in Rumänien verbrachte ein betagter deutscher Zimmermann seine letzten Lebensjahre… Während einer Evangelisation… war er zum Christentum bekehrt worden… Er erkannte, daß ein Christ, der nicht auch gleichzeitig Missionar ist, wenn auch auf kleinster Ebene, seine Pflicht nicht erfüllt, der Welt ein Licht zu sein.
Eines Nachts, als er schwer krank war, wachte ein christlicher Jude an seinem Bett. Aus tiefster Dankbarkeit sehnte er sich nun danach, dafür gebraucht zu werden, Juden zu Christus zu bringen. Sein tägliches Gebet war: ‚O Herr, ich habe Dir auf Erden gedient, und auf Erden erhoffe ich meine Belohnung. Ich bete, daß ich nicht sterben möge, bevor ich nicht einen Juden zum Glauben gebracht habe… Du bist allmächtig. Bring einen Juden hierher in mein Dorf, und ich verspreche, mein Äußerstes zu tun, ihn zu bekehren.'“
Der erste Jude, der in diesem Frühling in das Dorf kam, war Wurmbrand. Beide trafen sich durch höhere Fügung. Der alte Mann erkannte im jungen Juden die Erhörung seiner Gebete und reichte ihm die Bibel. „Gott öffnete mein Herz, so daß ich imstande war, dem Evangelium zu glauben.“
Der bescheidene Zimmermann stellte ihn in der Folge anderen christlichen Juden vor, „die von solcher Reinheit waren, daß ich bis dahin nicht hätte glauben können, daß solche Menschen existierten… Später trat auch meine Frau dem Glauben bei. Sie führte andere Seelen mit sich, die wiederum andere brachten, und so ging es weiter, bis in Bukarest eine judenchristliche Gemeinde gebildet wurde, die viele Jahre lang kräftig gedieh.“
Wegen seinem Einsatz als Pastor der Untergrundkirche war er 14 Jahre in kommunistischen Gefängnissen mit schweren Folterungen. Von norwegischen Christen wurde er 1964 für 10.000 Dollar freigekauft und wirkte darauf in der freien Welt unermüdlich als Stimme der Verfolgten und als Evangelist, um den schlafenden Christen die Augen zu öffnen.
Ich selber hörte ihn in den siebziger Jahren in der Kathedrale von Fribourg. Am 17. Februar 2001 starb er in Glendale/Kalifornien. Auch wenn der Sowjetterror zusammengebrochen ist, beschleunigt durch die Glaubenstreue der Märtyrer (vgl. Offb 6,9-11; 2 Petr 3,12), bleibt die Botschaft Wurmbrands aktuell, denn wir gehen ähnlichen Herausforderungen entgegen.
Wurmbrands Bestseller „Gefoltert für Christus“ erschien 1967 und erreichte eine Weltauflage von über vier Millionen. Der Schwerpunkt liegt nicht auf den ungeheuren Leiden der Christen, sondern auf ihrem strahlenden Zeugnis für die Liebe und den Sieg Christi gegenüber der Macht Satans, die sich im atheistischen Regime austobte. Die Gefolterten liebten um Christi willen ihre Peiniger, wodurch sich manche von ihnen bekehrten.
Die Verfolgung schied „ökumenisch“ zwischen Spreu und Weizen, indem die Treuen aus allen Konfessionen einander näher rückten und die Verräter bis hinauf in die Kirchenspitzen offenbar wurden. „Wer einmal die geistliche Schönheit der Untergrundkirche kennengelernt hat, der kann sich mit der Leere so mancher Kirchen hier im Westen nicht mehr zufrieden geben… Ich leide hier im Westen mehr, als ich je im Kerker gelitten habe, weil ich hier mit eigenen Augen die westliche Kultur sterben sehe.“
P. Tilbert Moser OFMCap