VISION 20001/2009
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Freier Markt braucht tugendhafte Akteure

Artikel drucken Unser System: wie eine große Maschine

Wie sehen Sie die derzeitige Krise?

Samuel Rouvillois: Bei dieser Krise handelt es sich nicht einfach um Finanzierungsfehler, darum, daß man auf problematische Produkte gesetzt hätte. Die Sache geht tiefer. (...) Hinter der Krise steckt nämlich ein Vertrauensverlust, ein geistiges Problem also. Vertrauen läßt sich aber nicht so steuern wie Kapitalien. Unser ganzes System beruht nämlich auf Vertrauensbeziehungen. Bei den Finanzen geht es nicht nur um Fragen der Mathematik, da ist die Gefühlswelt im Spiel. Was geschieht nämlich? Die Wirtschaftsakteure - sie werden zahlreicher, aber weniger kompetent - werden von Zweifeln erfaßt. Ihre Angst ist berechtigt, gibt es doch keine Weltregierung und keine klaren Äußerungen der Nationalstaaten.

Ist das System außer Kontrolle geraten?

Rouvillois: Das Finanzsystem ist heute eine große Maschine. Allen erscheint es wichtiger, daß es funktionstüchtig bleibt, als daß es dem Menschen nützt. Man beobachtet, wie es sich selbst genügt und wächst, und hofft dabei, daß dieses Wachsen eines Tages den Menschen zugute kommt. Aber kann Wachstum zum letzten Zweck werden? Das wäre so, wie wenn man ein Auto fortgesetzt mit stärkeren Motoren ausstattet, ohne sich zu fragen, ob es jemals Leute befördern wird.

Wie läßt sich der Liberalismus zur Raison bringen?

Rouvillois: Der gegenwärtige Liberalismus lehnt politische Regulierung ab. Ein zutiefst perverses Phänomen, das Johannes Paul II. angeprangert hat. Der Liberalismus nimmt die Stelle der Politik ein und steuert die sozialen Beziehungen. Wer regiert letztendlich die Welt? Das Wirtschaftswachstum! Die Mittel sind zu Endzwecken geworden. Wir brauchen also eine Rückkehr des Politischen, um der Wirtschaft ihre Aufgabe, im Dienst des Gemeinwohls zu stehen, wiederzugeben.

Hat der Liberalismus einen Hang zum Perversen?

Rouvillois: Nein. Aber er weist eine Schwäche auf: Er setzt tugendhafte Akteure voraus. Das Bestreben, unternehmerisch zu sein und zu besitzen, kann irregehen, wenn es nicht von der Sorge um das Allgemeinwohl genährt sind. Die unternehmerische Freiheit und das Privateigentum erzeugen einen Wetteifer, einen gesunden Wettbewerb, wenn es um Organisationsformen und Umgang mit den Gütern geht. Aber wenn den Akteuren der Gerechtigkeitssinn abgeht, wenn sie sich nicht ans Gesetz halten, dann wirkt sich der Liberalismus negativ für die Menschen aus.

Auszug aus einem Interview von Samuel Pruvot in “Famille Chrétienne" v. 27.9-3.10.08. Samuel Rouvillois ist Mitglied der Johannes-Gemeinschaft, berät große Unternehmen und ist in einem Zentrum für Jungunternehmer tätig.

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