VISION 20001/2009
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Abkehr vom Egotrip

Artikel drucken Plädoyer, das Wirtschaftliche zu relativieren

Das Übel, das den Westen untergräbt , den “Junioren" den Verstand raubt, die “Senioren" in die Irre führt und uns alle langsam demoralisiert, ist folgendes: Es ist der Kult des Geldes, die Rechtfertigung durch materiellen Erfolg. Dieser primitive Kult macht sich auf allen Verkaufsläden, in allen Kiosken, auf allen Bildschirmen breit.

Das Böse ist die heimtückische Diktatur dieses Lebensentwurfs, der allein gültig zu sein scheint. Zynische und amoralische “Eliten" prägen ihn dem Unterbewußtsein der Jugend ein: Das Leben sei, grob gesprochen, nichts als ein großes Casino. Mach' möglichst viel Geld, der Rest zählt nicht.

Die Griechen und die Römer hatten zwei Leitbilder: den Helden und den Weisen. Das christliche Mittelalter prägte die Gestalt des Heiligen und des Mutigen in die Vorstellungen der Menschen ein. Das Zeitalter der Klassik vertrat das Ideal des “rechtschaffenen Bürgers". Die Romantik flößte den tapferen Herzen die Tugend des Widerstandes ein - was ohne Zweifel zweischneidig, aber dem Wesen nach nobel war.

Nichts von all dem jedoch in unserer Gesellschaft, keine andere Botschaft als die Verführung dazu, “es sich zu richten" - und sei es auf Kosten der anderen. Im Grunde genommen haben die Spekulanten, deren Heißhunger nach kurzfristigem Profit man jetzt geißelt, die unausgesprochene Logik unseres Systems in die Schranken verwiesen, eines Systems, das die räuberischen Triebe stimuliert. Schauen Sie sich doch nur die Werbung an, hören Sie den Leuten zu, die die Titelseiten schmücken und die im Fernsehen defilieren: Sie stinken nach raschem Geld, nach billigen Sex; sie sind lebende Beispiele für den schwachsinnigen Slogan der 68er: Genieße hemmungslos!

Keine Gesellschaft kann den Kurs halten, wenn die allgemeine Käuflichkeit nicht ausgeglichen wird von Impulsen, die den Blick zu den Sternen lenken. Keine Gesellschaft kommt darum herum, die moralische Latte höher zu legen als bis zum Nabel oder zum Gürtel. Keine schafft ein Minimum an Gemeinwohl, wenn im gängigen Alltagsgerede dieses Wohl auf die Summe der (meßbaren) Begierden reduziert wird.

Kurzum, der Streit zwischen Liberalen und Dirigisten ist sinnlos. Nicht der Kapitalismus an sich - zwar immer verbesserungsbedürftig - ist das Übel. Auch nicht das Versagen des Staates, der wieder auf die Beine kommen kann. Nicht einmal die Spekulation- eine seit jeher geübte Praxis - ist das Übel. Das eigentlich Böse hier im Westen ist die Konzentration auf das Wirtschaftliche. Sie läßt die gottverlassene Jugend in der Meinung, daß das Leben der Sterblichen darin besteht zu produzieren und zu konsumieren. Punktum. Sich den möglichst bestbezahlten Job anzulachen und sich um sonst nichts zu kümmern. In seinem Egoismus herumzuirren, wie eine Wespe im Glas. Wo man nur mit solcher Wegzehrung ausgestattet ist, führt die geringste wirtschaftliche Zuckung klarerweise zur Panik.

Denis Tillinac

Auszug aus “Famille Chrétienne" v. 7.11.08

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