Im Oktober 2001 vollzog Papst Johannes Paul II die erste, gemeinsame Seligsprechung eines Ehepaares - die der römischen Eheleute Luigi und Maria Beltrame Quattrocchi (gestorben 1951, bzw. 1965). Nun wurden zur großen Freude nicht nur aller Karmeliten am 19. Oktober 2008 die Eltern der heiligen Therese vom Kinde Jesu seliggesprochen: “wegen ihres eigenen Lebenswandels, nicht, weil sie die Eltern einer Heiligen sind."
Unter den vielen Pilgern, die an dieser Feier in der Kathedrale von Alençon teilnahmen, war auch der sechsjährige Pietro Schiliro aus Monza, dessen wissenschaftlich nicht erklärbare Heilung 2002 im Babyalter als auf die Fürsprache der neuen Seligen geschehenes Wunder, anerkannt wurde. Pietro war mit einer schweren Lungenmißbildung zur Welt gekommen. In ihrer Not entschlossen sich seine Eltern, eine Novene zu den Eltern der heiligen Therese zu beten, Pietro wurde vollkommen geheilt. Wer waren nun diese “besonderen" Eltern der kleinen Therese?
Louis Martin (1823 bis 1894) und Zelie Guerin Martin (1831 bis 1877) zeigen in ihrer berührenden Lebens- und Liebesgeschichte gerade auch heute einer Welt, in der die Institution Familie zutiefst angefochten ist, Möglichkeiten und Chancen, die von vielen Ehepaaren aufgenommen werden können. Wirklich lesenswert ist das Buch: Geschichte einer Familie von Stephane Joseph Piat, im Johannesverlag-Leutesdorf.
Interessant ist die Tatsache, daß sowohl Louis, als auch Zelie in ihren jungen Jahren den geistlichen Stand erwählen wollten. Louis bewarb sich am Großen St. Bernhard bei den Augustiner Chorherrn um Aufnahme, wurde aber abgewiesen, weil er nicht Latein gelernt hatte. Zelie wollte bei den Barmherzigen Schwestern eintreten, die Oberin sah diesen Schritt aber nicht im Plane Gottes.
So arbeitete Louis weiterhin eifrig als Uhrmacher und pflegte eifrig sein intensives kirchlich religiöses Leben. Zelie entschloß sich, einer inneren Eingebung folgend, Alençon-Spitzen in Heimarbeit herstellen zu lassen. Dank ihrer künstlerischen Begabung hatte sie bald einen florierenden Betrieb aufgebaut. Durch eine besondere Fügung lernten sich die beiden kennen und heirateten nur drei Monate später, am 13. Juli 1858, also vor genau 150 Jahren.
Wegen ihrer ursprünglichen Sehnsucht nach dem gottgeweihten Leben trugen sich beide zunächst mit dem Gedanken eine Josephsehe zu führen, änderten dann aber ihre Haltung auf Anraten des Beichtvaters nach zehn Monaten. Im Gefolge wurde ihre Ehe mit neun Kindern reich gesegnet, von denen allerdings vier in den ersten Lebensjahren starben, nämlich drei Buben, ein Mädchen. Arbeit, Mühsal, Freude und Leid kennzeichneten das Familienleben, das ganz auf Gott ausgerichtet ist.
Louis führte gewissenhaft sein Uhrmachergeschäft, und beachtete sorgsam die Heiligung des Sonntags. Das war schon damals keine Selbstverständlichkeit, weil die Leute vom Land nur am Sonntag in die Stadt kamen, um dort dann gleich ihre Einkäufe zu erledigen. Zelie wiederum führte im eigenen Heim erfolgreich ihren Betrieb weiter und widmete sich ganz den mütterlichen Aufgaben. Der tägliche, gemeinsame Besuch der Heiligen Messe um 5 Uhr 30 war ein Pflichttermin. Da und im Gebet schöpften Zelie und Louis die Kraft für ein echtes christliches Leben, das sich auch in einer liebevollen Hinwendung zu den Armen und Schwachen zeigte.
Die lebendigen und temperamentvollen Briefe Zelies, die auch in Buchform erhältlich sind, schildern uns das bunte Leben dieser Familie. Zelie sorgte sich auch um ihren Bruder Isidore, der beim Studium der Pharmazie in Paris Bekanntschaften geschlossen hatte, die sie beunruhigten. Erst als er die Apotheke seines Schwiegervaters in Lisieux eröffnet und dessen jüngste Tochter geheiratet hatte, war sie zufrieden. Sie fand dann in ihr eine schwesterliche Herzensfreundin, die auch Isidore in die richtigen Bahnen gelenkt hat. Fortan verband eine tiefe Zuneigung die beiden Familien.
Schon nach der Geburt der ersten Kinder treten bei Zelie Symptome jener Krankheit auf, der sie dann mit 46 Jahren erliegen wird: Brustkrebs. Wegen dieser Erkrankung kann sie alle weiteren Kinder zu ihrem großen Schmerz nicht mehr selbst stillen, sondern muß mühsam gute Ammen suchen.
Was ist nun das Geheimnis dieser Familie? Wie kommt es, daß alle fünf Töchter ins Kloster gehen, obwohl Leonie, die mittlere, für unsere Begriffe schwer erziehbar war?
Die Eltern waren ganz für die Kinder da. Trotz aller Arbeit war die Erziehung der Kinder konsequent und liebevoll, das Wichtigste im Leben. Ganz im Blick auf Gott hin lebte man einfach, natürlich, ganz im Rhythmus des Kirchenjahres. Die Hausmädchen waren vollkommen integriert in das Leben der Familie. An den Abenden wurde viel gespielt, musiziert und gebetet.
Sorgsam versuchten die Eltern, die Kinder vor schlechten Einflüssen zu schützen. Das überzeugend gelebte Vorbild der gläubigen Eltern prägte die Kinder. Das Sterben der vier kleinen Geschwister und der frühe Tod der Mutter führte allen die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen. Nach dem Tod seiner Frau übersiedelte Vater Louis mit seinen fünf Töchtern in die Buissonets nach Lisieux, um der Familie seines Schwagers näher zu sein.
Nacheinander traten drei Töchter in den Karmel von Lisieux ein, Therese mit besonderer Erlaubnis, 15jahrig als dritte. Leonie und Céline pflegten den Vater nach Schlaganfällen liebevoll bis zu dessen Tod. Dann tritt auch Céline in den Karmel ein. Leonie, das Sorgenkind der Familie, landet nach einigen Versuchen doch bei den Heimsuchungsschwestern in Le Mans, wo Jahre zuvor die geliebte Tante, Sr. Dosithee, die Schwester von Zelie, heiligmäßig gestorben war.
Es gibt keine Nachkommen der Familie Martin-Guerin, von den beiden Töchtern Isidores heiratete eine, die Ehe blieb kinderlos, die andere wählte auch das Kloster. Die kleine Therese hat aber in der ganzen Welt unzählige geistliche Kinder, auch hier in unserem schönen Karmel Mater Dolorosa in Maria Jeutendorf.