VISION 20001/2009
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Humanae vitae - ja, aber...

Artikel drucken Auseinandersetzung mit einem Leserbriefmit kritischen Anmerkungen zum Schwerpunkt in VISION 5/08

Eingehend hat sich Mag. Kurt Preissinger, ein Leser aus 1060 Wien, mit dem Schwerpunktthema der Ausgabe 5/08 auseinandergesetzt. Wir nehmen im folgenden zu seinen Ausführungen in Form einer hoffentlich aufschlußreichen Debatte mit den kursiven Textteilen Stellung.

Das Schwerpunktthema 40 Jahre Humanae Vitae (HV) war von der Aktualität her sicherlich wichtig. Auch war es wohl richtig darauf hinzuweisen, welche Chancen in einem Leben nach HV bzw. der Natürlischen Empfängnisregelung liegen. Dennoch kann man nicht leugnen, daß viele Menschen damit Probleme haben und die Andeutung, daß dies eben auf mangelnde Bereitschaft oder Erfüllung durch den Hl. Geist zurückzuführen ist, ist schon zu hinterfragen. Gerade um dieser Menschen willen seien einige Anmerkungen angebracht:

Ja, es stimmt: Fruchtbarkeit ist eine gute Gabe Gottes, die man dankbar annehmen darf. Aber darf man daraus ableiten, daß Verhütung die Würde des Menschen schmälert? Nicht nur eine Frau, die die Pille nimmt, wird, wie Bischof Laun es ausdrückt, “zurechtgemacht", sondern wir alle “machen uns immer wieder zurecht" - nicht zuletzt vom Friseur, der unsere Haarpracht “zurechtmacht" (ist Haarefärben auch Sünde, wenn uns die gottgegebene Farbe nicht gefällt?).

Es stimmt ja wirklich: Wir “machen uns zurecht" - in vielfacher Hinsicht. Und auf die Frage, ob, sich die Haare zu färben, Sünde sei, ist wohl mit einem klaren Nein zu antworten. Damit ist das Zurechtmachen an sich aber noch nicht “seliggesprochen", insbesondere wenn es um Verhütung geht. Was geschieht denn dabei? Mit der “Pille" wird einer gesunden Frau über Jahre hinweg ein hochwirksames Hormonpräparat verordnet, das zahlreiche schwere Schäden hervorrufen (u.a. Brust- und Leberkrebs, erhöhtes Tromboserisiko, Depression...) und abtreibend wirken kann. Ein massiver Eingriff also, eine Zumutung, die außerdem - und darauf hat Bischof Laun hingewiesen - eine wesentliche Dimension des Menschen, nämlich dessen Fruchtbarkeit, ausschaltet und nicht etwa nur eine Oberflächenkosmetik darstellt.

Ja, es stimmt: Innere Hingabe muß sich auch körperlich ausdrücken. Aber die Behauptung in den Raum zu stellen, daß Menschen, die verhüten, die gegenseitige Hingabe sicher nicht leben, ist, gelinde gesagt, eine boshafte Unterstellung. Wer kann schon in einen Menschen “hineinschauen"? Die Hingabe an den Partner zeigt sich primär in vielen Kleinigkeiten des Alltags: im ständigen Bemühen, miteinander im Gespräch zu bleiben; in der Überwindung, wenn es darum geht, dem Partner das Leben schöner zu machen; in der Bereitschaft zu vergeben und einander mit allen Ecken und Kanten anzunehmen, ... Das ist der eigentliche Kitt für geglückte Ehen.

Auch das stimmt: Die Hingabe an den Ehegatten zeigt sich in den angeführten Kleinigkeiten des Alltags, vor allem im Vergeben und im Annehmen der Schwächen des anderen - aber eben auch in der Annahme seiner konstitutionellen Gegebenheit, u.a. der fruchtbaren und unfruchtbaren Perioden der Frau. Und die Hingabe des Mannes zeigt sich in dessen Bereitschaft, auf diese Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen und - wenn dies angemessen erscheint - periodisch sexuell enthaltsam zu leben. Damit sind nicht alle körperlichen Zeichen der Zuwendung ausgeschlossen. Im Gegenteil, die periodische Enthaltsamkeit belebt die Vielfalt der Sprache der Zärtlichkeit.

Ja, es stimmt: die Scheidungszahlen sind erschreckend hoch und immer noch im Steigen begriffen. Aber dies im Zusammenhang mit der Verwendung von Verhütungsmitteln zu sehen ist wohl doch sehr gewagt. Viele andere gesellschaftliche und rechtliche Faktoren erschweren heute das Zusammenbleiben und erleichtern die Trennung. Und schließlich sei auf viele, viele Paare hingewiesen, die nie nach den Vorgaben von HV leben wollten oder konnten und heute nach jahrzehntelanger Ehe ein Zeugnis geglückter und gereifter Liebe abgeben.

Klar, die Ursachen für Scheidungen sind vielfältig. Das Scheitern von Ehen kann man nicht allein der Verhütung in die Schuhe schieben. Wohl aber bringt die Verhütung eine veränderte Sicht auf die Mann-Frau-Beziehung mit sich: Sexuelle Beziehungen werden überbewertet und erscheinen nur allzu leicht als das eigentlich Wichtige. Gemeinsam Kinder zu haben, wird nachgeordnet, ja erscheint häufig als Bedrohung des sexuellen Glücks, auf das jeder Mensch Anspruch zu haben scheint. Diese Idealisierung des Sexus hat uns auch ein gesellschaftliches Klima beschert, das an allen Ecken und Enden mit Verführung lockt: im Kino, auf Plakaten, Stränden, im Internet, im Videoshop...Der von der “Gefahr" der Reproduktion befreite Sex hat scheinbar den Siegeszug angetreten. Auf diese Weise gefährdet die Verhütungsmentalität indirekt die lebenslange Ehe.

Ja, es stimmt: viele Paare leben Natürlicher Empfängnisregelung, sind glücklich damit und empfinden diesen Weg als Stärkung für ihre Ehe. Aber wie viele (auch gläubige) Paare erleben die Forderungen von HV als (zu schwere) Last auf ihren Schultern, müssen Frustrationen, Streß und Spannungen in ihrer Ehe erleben, weil das, was angeblich nur toll für ihre Beziehung ist, für einen oder beide Partner als eben nicht erfüllend erfahren wird? Sexualität hat auch den Sinn, die beiden Menschen innerlich zu verbinden und Enthaltsamkeit kann ebenso die Liebe beschädigen.

Es stimmt: Nach der Natürlichen Empfängnisregelung zu leben, ist schwierig. Das werden auch Paare bestätigen, die insgesamt zufrieden mit diesem Weg sind. Verzicht zu üben, erzeugt in dem Moment, in dem ich mich überwinden muß, kaum ein Wohlgefühl. Allerdings ist zu bedenken: Jedes Wachsen des Menschen ist damit verbunden, daß ich über meine Grenzen hinausgehe. Und das fällt nun einmal nicht leicht. Wer in der Liebe wachsen will, muß immer wieder mit dem inneren “Schweinehund" kämpfen: wenn es darum geht, geduldig zu werden, die eigene Aggressivität zu bremsen, die Lust zur üblen Nachrede zu bändigen, Neid und Geiz zu bekämpfen, und, und, und...

Und was ist etwa mit einem Ehepaar, das schon mehrere Kinder hat, das “Ja zum Leben" also klar gelebt hat, nun aber keine weiteren Kinder mehr verantworten kann und NER für sich selbst nicht als lebbar erkennt, also Verhütungsmittel verwendet - lebt dieses Paar in Sünde vor Gott? Wenn man Bischof Laun ernst nimmt, wohl eindeutig ja.

Ein kluger Theologe hat vor einigen Jahren (1996) auf diese Frage folgende Antwort gegeben: “Ich würde sagen, das sind Fragen, die mit dem Seelenführer, mit dem Priester besprochen werden sollten, die man nicht ins Abstrakte projizieren kann." Also kein klares Urteil, vielmehr ein Verweis auf einen speziellen Weg des Paares (evtl. auch mit Verhütung?), eine Entscheidung gemäß dem eigenen Gewissen unter Begleitung und Hilfe durch einen erfahrenen Seelsorger.

Dieser Theologe war der damalige Kardinal Josef Ratzinger!

Auch das stimmt: Das konkrete Leben mit seinen Höhen und Tiefen, seinem Wachstum und seinen Sünden gehört in den Beichtstuhl und sollte mit dem Seelenführer besprochen werden. Es macht keinen Sinn, theoretische Fälle abzuhandeln, nach dem Motto: ein Fernfahrer hat schon fünf Kinder, kann keine weiteren mehr verantworten - darf seine Frau die “Pille" schlucken? Allgemein kann man über die Wegweisung zum Heil sprechen, den guten Weg beschreiben, ihn attraktiv darstellen und seine Gangbarkeit an Beispielen illustrieren. Das haben wir in VISION 5/08 versucht. Mit Humanae vitae hat Papst Paul VI. klargestellt, was für die Gewissensbildung der Christen entscheidend ist.

Und selbstverständlich darf man in diesem Zusammenhang auch von Sünde sprechen. Wir sind nun einmal Sünder. Am deutlichsten haben das die Heiligen empfunden. Aber ein Sünder zu sein, ist nur für den eine Katastrophe, der sich nicht von Gott vergeben lassen will oder kann, sondern die Augen vor seinem Zustand verschließt. Damit wird offenkundig, daß die wirklich erfüllend gelebte Sexualität ein kostbares, zerbrechliches, immer wieder neu aus Gottes Händen zu empfangendes Geschenk ist.

Wie bedeutsam in den Augen Papst Benedikts XVI. die Enzyklika Pauls VI. ist, machte er in einem Schreiben vom 2.10.08 deutlich: “Im Abstand von 40 Jahren seit der Veröffentlichung der Enzyklika können wir besser verstehen, wie entscheidend dieses Licht für das Verständnis des großen ,Ja' ist, das die eheliche Liebe einschließt. In diesem Licht sind die Kinder nicht mehr Gegenstand einer menschlichen Planung, sondern sie werden als eine wahre Gabe anerkannt, die in einer Haltung verantwortlicher Großherzigkeit Gott gegenüber anzunehmen ist, der ersten Quelle des menschlichen Lebens." CG

Nachzulesen auf der Homepage des Papstes: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi

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