Organisationstalent, Pastorales Geschick, Gebetsleben, Treue zum Glauben, all das spricht eigentlich für eine Bischofsberufung. Pfarrer Wagner bringt diese Eigenschaften mit, wie ein Besuch in seiner Pfarre zeigt:
Wir kennen Pfarrer Wagner seit seinem Amtsantritt in Windischgarsten, also 20 Jahre lang. Am Sonntag, dem 22. Februar, zwei Tage nach dem er gezwungenermaßen sein Rücktrittsgesuch unterscheieben hatte, hielt Pfarrer Wagner wieder den Gottesdienst in seiner Pfarrkirche. An diesem 22. Februar hat vor dem Einzug des Priesters eine Gottesdienstbesucherin - wie jeden Sonntag - ein Gebet zur Erneuerung der Taufe gesprochen.
Dann kam Pfarrer Wagner aus der Sakristei, um die Gläubigen mit Weihwasser zu besprengen. Was geschah? Nach den Reportagen über den “unmöglichen Pfarrer" hätte man Buh-Rufe erwarten müssen - aber! Stürmischer Applaus brandete auf! Wir haben ihn wieder! Er bleibt bei uns: So einen hätten wir nie wieder bekommen!
Obwohl die Texte der Lesung und des Evangeliums genügend Zündstoff für eine Abrechnung mit den “Bischofsverhinderern" gegeben hätten, gab es nur eine einzige Klarstellung: Niemand wird zur Beichte “gezwungen"!
Die Messe war - trotz Schneechaos - sehr gut besucht; sie wurde, wie so oft, von Jugendlichen gestaltet. Die Kirchenbesucher: viele junge Ehepaare mit kleinen Kindern, viele Jugendliche! Altersdurchschnitt weit unter der Norm. Hat sich niemand Gedanken gemacht, woher die vielen jungen Leute kommen? Wie macht das dieser “gefährliche Landpfarrer", der nach unqualifizierten Meldungen für “Höheres" nicht geeignet wäre?
Das ist die Frucht von zwei Jahrzehnten “ora et labora". Pfarrer Wagner betet und arbeitet. Er hat die Jugendlichen und jungen Erwachsenen schon als Kinder betreut: im Erstkommunionunterricht, in der Jungschar, auf einem Jugendlager, bei einer der vielen Jugendwallfahrten nach Rom oder Assisi, beim Fußballspiel oder einem Schiwochenende...
Was fällt noch bei einem Gottesdienst in der Pfarre auf? Der Pfarrer predigt von der Kanzel einfach deshalb, damit ihn alle sehen können. Bei besonderen Gottesdiensten für Kinder oder Jugendliche allerdings steht er mit dem Funkmikrophon vor dem Altar, ganz nahe bei den Kindern. Der Ablauf der Messe ist “katholisch", man muß keine kreativen Neuerungen fürchten, wie etwa bei den Wandlungsworten, daß Jesus zu seinen “Jüngern und Jüngerinnen" gesprochen hat.
Bei der Kommunionspendung assistiert ein Kommunionhelfer. Einer genügt. Es ist schön, daß man Zeit hat zur Besinnung. Nach der Messe die aufschlußreichen Verkündigungen: Die Gottesdienste stehen am “Verkündzettel". Die Jugend bietet vor der Kirchentür wieder den Weidling an, diesmal über den hl. Paulus. Von Zeit zu Zeit kommt diese von Jugendlichen gestaltete Zeitung heraus; immer zu einem Schwerpunktthema, mit dem sich Burschen und Mädchen auseinandergesetzt haben. Ein Hinweis, daß der Krankenbrief abzuholen ist, wo sich diesmal die “Franziskanische Gemeinschaft Nr. 15" trifft..
Nach der Messe bekommen die Kinder höchstpersönlich vom Pfarrer den “Kinderzettel" - der auch Kleinkindern das Evangelium, meist in Form von Bildern zum Anmalen, nahebringt. Schließlich wird noch verkündet, welche Anbetungswoche gerade läuft, denn jeden Tag gibt es eucharistische Anbetung, von früh bis abends. Etwa 300 Personen haben sich in einem Turnus von vier Wochen fix für eine Stunde Anbetung verpflichtet. Zur Pfarre zählen rund 5.250 Gläubige.
Nach der Messe kann man auf den Pfarrer warten und mit ihm noch sprechen. Wir sind in der Pfarre nur Meßbesucher, keine Mitarbeiter, da wir nicht ständig in der Pfarre wohnen. Aber wir bekommen viel mit: Da gibt es jene, die beim Pfarrblatt mithelfen (das professionell gestaltete Pfarrblatt Nr. 153 vom Februar 2009 hat 40 Seiten); jene, die die Bibliothek betreuen; jene, die für die “pflegenden Angehörigen" da sind; da gibt es ein Team für den Krankenbesuchsdienst; jene, die für sich für die “Trauerbegleitung" oder für die Zugezogenen engagieren.
Dazu kommen Kreise für Jungmütter, Jungbäuerinnen. Es gibt Männer- und Frauenrunden, Bibelkreise, Glaubenskurse und natürlich Schulungen für die Jungschar- und Jugendführer. Zugabe sind alle anderen sozialen und karitativen Aktivitäten, wie Pfarrfeste...
Die Fastenzeit steht vor der Tür. Angekündigt wurde auch der jeden Freitag in der Fastenzeit durchgeführte Gang auf den Kalvarienberg, wo eine Heilige Messe mit Fastenpredigt gehalten wird. Einige Male waren wir in den vergangenen Jahren dabei. Sogar bei strömendem Regen pilgerte eine beeindruckend große Zahl von Pfarrangehörigen den Kreuzweg zum Kirchlein am Kalvarienberg hinauf.
Warum kann der Pfarrer eine so große Menge von Menschen bewegen? Er überzeugt! Er hat eine freundliche, liebenswürdige Ausstrahlung. Man gewinnt Vertrauen zu ihm. “Er war immer für uns da!" sagen alle, vor allem die Jugendlichen. “Er geht auf alle zu!" sagen auch jene, die kaum oder nie in die Kirche gehen. Auch unsere persönlichen Begegnungen waren immer sehr positiv.
Zweimal sind wir bei einer Pfarrwallfahrt mitgefahren, einmal nach Malta und einmal in die Türkei. Er tut nicht nur “katholisch", er ist es! In der Türkei hat er sich nicht versteckt. Wir feierten jeden Tag Heilige Messe: meistens in alten Ruinen, in einem bescheidenen Gebetsraum oder in einer Kirche, wie in Izmir. Bei jugendlichen Muslimen erregte er solches Interesse, daß sie ihn strahlend umringten.
Hat er keine Fehler? Natürlich hat er Fehler! Wer ist denn schon makellos? Sollte Makellosigkeit jedoch zum Maßstab für Bischofsberufungen werden, müssen wir uns auf Zeiten ohne Hirten einstellen. Warum hat man ihn verfolgt? Verfolgt wie einen Räuber? Als wir ihn an diesem Nachmittag besuchten, haben wir in absolut reine, aber traurige Augen geblickt.