Stirbt ein nahestehender Mensch unerwartet, so kann für Angehörige die Welt zusammenbrechen. Dann erleben sie ihren eigenen Karfreitag. Nie ist ein Tod herzzerreißender, als wenn es das eigene Kind trifft, vor allem für die Mutter.
Nie ist ein Tod grausamer, als wenn ein solcher Tod durch Selbsttötung geschieht: wenn das eigene Kind sich das Leben nimmt, der eigene Vater, die eigene Mutter, ein Bruder, eine Schwester. Solche Tragödien geschehen täglich, auch in gläubigen Familien. Die Angehörigen werden damit oft nicht fertig.
In solchen Situationen können die Menschen oft auch Gott nicht mehr verstehen, ja, sie werden an Ihm irre. In ihrer Verzweiflung ist die Versuchung groß, sich dort hinzuwenden, wo ihnen Hilfe versprochen wird: an Leute - Wahrsager, Hellseher - die von sich behaupten, sie könnten Kontakt mit Verstorbenen aufnehmen. Immer mehr Menschen begehen heute diesen Weg des Spiritismus, auch Christen. Ja, sogar Priester sehen darin nichts, was dem Glauben des Christen widersprechen würde.
Ein bekanntes Medium, dessen Bücher Bestsellerauflagen erleben, schreibt in einem seiner Werke, “daß oft Priester zu mir in die Beratung kommen". Er leitet davon ab, daß sein Tun nicht im Widerspruch zur Bibel stehen könne: “Wenn es wirklich etwas Schlimmes wäre und nicht mit dem Glauben zu vereinbaren, dann würden doch keine Priester kommen! Oder?" So im Vorwort des Buches.
Wir durchleben eine Epoche der Geschichte, wo der Glanz der geoffenbarten biblischen Wahrheit immer mehr vom Dunst und den Nebeln der Esoterik “versmogt" wird. Wir haben uns in unserer religiösen Suche weitgehend hinter die Bibel zurückbewegt: in den Raum des Aberglaubens, in jene Dunkelkammer, wo der Mensch sich der Angst und der Sinnlosigkeit des Lebens ausliefert.
Es war ja gerade eines der besonderen Kennzeichen der Auserwählung des biblischen Volkes (und der Christen), daß es sich von den heidnischen Völkern mit ihrer Zauberei, Wahrsagerei und ihren Totenbeschwörungen emanzipierte, daß es sich von ihm freimachen mußte. Denn Gott nennt diese obskuren Bemühungen des Menschen “Greuel" - übrigens der härteste Ausdruck des Mißfallens Gottes in der Bibel.
Auch wenn ein “Medium" von der guten Absicht geleitet ist, Menschen in ihrem schweren Leiden zu helfen und wenn betroffene Leute einem bisweilen bestätigen, sie hätten auf diesem Weg Trost und Zuspruch fürs Leben gefunden: für uns Christen ist dieser Weg ein Ausdruck von Untreue, es ist “Fremdgehen", biblisch gesprochen “Ehebruch", es ist ein verletzender Mangel an Liebe gegenüber Gott, den wir mit Paulus als den “Vater des Erbarmens und den Gott allen Trostes (2 Kor 1,3) kennen und lieben.
Hören wir zwei Worte aus der Bibel zu diesem Thema: Zum Propheten Jesaia spricht der Herr: “Wenn man euch sagt: Befragt die Totengeister und Zauberkundigen, die flüstern und murmeln!, dann erwidert: Soll ein Volk nicht lieber seinen Gott befragen? Warum soll man für die Lebenden die Toten befragen? Lehre und Warnung: Wer nicht so denkt, für den gibt es kein Morgenrot..." (8,19-23)
Es geht bei all diesen biblischen “Verboten" um das eine große und erste Gebot der Bibel, das uns zu unserem Heil gegeben ist: “Du sollst neben mir keine anderen Götter haben." (Ex 20,3) Erwarte das Heil von deinem Gott, der dein Schöpfer, dein einziger Retter und Erlöser ist. Dann geht in deinem Leben die Sonne auf, dann gibt es für dich wieder ein Morgenrot. Wenn nicht, verfängst du dich immer mehr in deinem eigenen Dunkel der Angst und Einsamkeit und du wirst nie einen Strahl vom Licht des Ostermorgens zu Gesicht bekommen.
In Deuteronomium 18,9-13 heißt es: “Es soll bei dir keinen geben, der Losorakel befragt, Wolken deutet, aus dem Becher weissagt, zaubert, Gebetsbeschwörungen hersagt oder Totengeister befragt, keinen Hellseher, keinen, der Verstorbene um Rat fragt. Denn jeder, der so etwas tut, ist dem Herrn ein Greuel... Du sollst ganz und gar bei dem Herrn, deinem Gott, bleiben."
“Du sollst ganz und gar bei dem Herrn, deinem Gott, bleiben." “Ich bin es ja, ich, der euch tröstet... Wer im Dunkel lebt und wem kein Licht leuchtet, der vertraue auf den Namen des Herrn und verlasse sich auf seinen Gott." (Jesaia 51,12; 50,10)
Das also ist gemeint: Wenn es um unsere Verstorbenen geht, die im Geheimnis Gottes leben, sollen wir allen Schmerz, alle Qual des Herzens, all die Fragen, die uns bedrängen, ja, die ganze Verzweiflung vor den lebendigen Gott hintragen.
Und wie geht das? Ich möchte Ihnen drei Schritte empfehlen:
* Nehmen Sie von allem Anfang an kompetente seelsorgliche Hilfe in Anspruch. Lassen Sie sich zum Thema auch gute Literatur geben. Vielleicht wird man Ihnen auch eine geeignete Selbsthilfegruppe empfehlen können.
* Breiten Sie Ihre ganze Not vor Gott, vor Jesus Christus aus, der auch zu Ihnen ganz persönlich sagt: “Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt, ich werde euch Ruhe verschaffen." (Mt,11,28) Niemand ist so tief in den Schmerz dieser Welt, ja, in die seelische Hölle hinabgestiegen wie Christus vor seinem Sterben und Tod im Ölgarten. Dieser Schmerz war so groß und so unermeßlich, daß Ihm ein Engel vom Himmel erschien, um Ihm neue Kraft zu geben (Lk 22,43).
Was für ein zärtlicher Hinweis darauf, daß auch uns der Vater im Himmel einen Engel des Trostes senden wird, wenn wir von Leid und Schmerz zerrissen werden!
Wieviele Menschen durften solche Wunder der Tröstung schon erfahren und werden es noch erfahren dürfen, solange Menschen in Jesus Christus ihren wahren Bruder lieben und sich Ihm anvertrauen.
Und vergessen wir die Mutter Jesu nicht! Ungezählte Menschen, vor allem Mütter, deren Herz durchbohrt und zerrissen worden ist vom Tod ihres eigenen Kindes, haben von Gott durch diese Mutter - der Trösterin der Betrübten - wahres Mitleid, himmlischen Trost und österlichen Zuspruch erfahren. Maria hat sie an der Hand genommen und zum leeren Grab ihres eigenen, gewaltsam zu Tode gebrachten Sohnes geführt und ihnen die göttliche Gewißheit gebracht, daß auch ihr Kind lebt, auch dasjenige, das sich “freiwillig" umgebracht hat.
“Zahlreiche Mütter haben eines Tages von ihrem verstorbenen Kind die Worte gehört: ’Warum weinst du, Mutter? Dort, wo ich bin, geht es mir sehr gut.'" So schreibt die Evangelische Theologieprofessorin Lytta Bassett in ihrem Buch Euer Herz sei ohne Angst (Integral Verlag), die ihren eigenen Sohn durch Suizid verloren hat. Sie durfte in dieser ihrer Karfreitagserfahrung zum ersten Mal Maria als ihre “Schmerzensmutter" kennen und lieben lernen.
* Lassen Sie auch Freunde und Gebetsgruppen für sich beten. Nicht selten schenkt uns Gott auch durch betende Menschen Seinen Trost und Zuspruch. Denn “er tröstet uns in all unserer Not, damit auch wir die Kraft haben, alle zu trösten, die in Not sind, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet werden." (2 Kor 1,4)
Wo immer Menschen ihren persönlichen Karfreitag, ihre Lebenskatastrophe erleben und sich vom auferstandenen Christus auf den Weg des Glaubens, des Vertrauens, der Liebe, des Gebetes und der Bibel mitnehmen lassen, dort öffnet sich ihnen die Dimension der unsichtbaren und ewigen Welt in einer Weise, die oft als ein geistliches Wunder angesehen werden muß.
Es gehen ihnen die Augen auf für die wahre verborgene Wirklichkeit dieser und der andern Welt. Für sie ist das Ostergeheimnis kein abstraktes und fernes Geschehen mehr, sondern bereits geistig erfahrbare Wirklichkeit. Sie erkennen, daß es “Tote" gar nicht gibt sondern nur das Leben: und daß dieses Leben Gott ist und daß überall dort, wo Gott in unser Leben eingelassen wird, Er bei uns einkehrt, um mit uns seine Geheimnisse zu teilen ( Off 3,20).
Und wo immer Gott ist, da ist die Liebe. Und wo Menschen in der Liebe für ihr Kind beten, das ihnen vorausgegangen ist (für ihren Vater, ihre Mutter oder einen lieben Freund), da sind sie in dieser Liebe mit ihnen verbunden, sie sind mit ihnen im Gespräch. Sie können ihnen alles sagen und diese hören ihnen mit der größten liebenswürdigen Aufmerksamkeit zu.
Ja, sie antworten ihnen in dieser Liebe, wenn die Angehörigen für diese Sprache der Liebe empfänglich geworden sind. Sie können sie auch um Verzeihung bitten und ihnen die Verzeihung und die versäumte Liebe auch jetzt noch schenken und von ihnen empfangen. Sie können alles noch “gutmachen", auch ihre Schuldgefühle abgeben, weil wir alle - wenn wir in Christus sind - von seinem Herzen umfangen sind, vom “Feuerherd der Liebe Gottes".
Es ist jene Liebe, die verzeiht, die heilt, alles scheinbar Tote österlich durchglüht und neuschafft. Es gibt für den glaubenden Menschen keine unüberbrückbare Todesgrenze zwischen “Diesseits" und “Jenseits". In Gott der Liebe sind wir alle die eine große Familie, die Gemeinschaft der Heiligen. Und wie oft vergelten ihnen die Freunde der unsichtbaren Welt - die Eltern, das Kind, der Freund - solche Liebe und solches Gebet mit den herzlichsten Zeichen ihrer Nähe und ihrer Sehnsucht nach ihnen! Warum sagen uns christliche Heilige und Mystiker immer wieder, daß die Verstorbenen um unsere Liebe und unser Gebet innig bitten und daß sie uns in diesem Leben in einer Weise nahe sind, die wir gar nicht fassen können? Denn die Liebe umfaßt Himmel und Erde, “die Liebe hört niemals auf" (1 Kor 13,8).
Abschließend möchte ich noch auf eine andere, subtile Gefahr hinweisen. Immer wieder höre ich von gläubigen Menschen, die mit ihrem Schmerz um verstorbene Angehörigen nicht fertig werden, daß sie “Begnadete" aufsuchen, die angeblich das Charisma besitzen, über Verstorbene Auskunft zu geben: ob sie gerettet sind, sich noch im Fegfeuer befinden, wieviele Heilige Messen zu ihrer Befreiung sie noch brauchen, welchen Einfluß Verstorbene auf das Leben haben...
Fragt man dann etwas nach, wie diese “Begnadeten" zu ihren Informationen kommen, hört man unter anderem: Sie könnten Engel, Heilige befragen oder es sei ein Pendel oder ein ähnliches Gerät (an dem ein Kreuzlein angebracht ist!), mit dem sie anfragen könnten. Andere sehen Bilder, haben Eingebungen etc.
Wo in geistlichen Dingen ein Pendel oder ein ähnliches Hilfsmittel verwendet wird, geschieht nichts anderes als religiös verbrämte Wahrsagerei, die jede reine Gottesbeziehung verunreinigt und im krassesten Gegensatz zur Bibel steht, mögen dazu noch so viele Gebete gesprochen und Heilige angerufen werden.
Auch vor Leuten, die Engel und Heilige befragen, “spezielle Gebete" sprechen, usw. ist höchste Vorsicht geboten! Ja, ich rate grundsätzlich vor solchen Befragungen immer ab. Auch stelle ich immer wieder fest, daß Menschen, die sich solche Auskünfte einholen, nachher doch wieder zu zweifeln anfangen, bei anderen “Begnadeten" nachfragen... - und so gehen selbst fromme Menschen den schlüpfrigen Weg des religiös verbrämten Aberglaubens. Sie verlieren mit der Zeit jedes wahre, gesunde und kräftige Vertrauen in die Güte und Barmherzigkeit unseres Herrn. Ja, sie gefährden auf diese Weise das ewige Heil ihrer eigenen Seele.
Hingegen gab und gibt es Heilige und Mystiker (P. Pio, der Pfarrer von Ars, Anna Katharina Emmerich und viele andere), denen war und ist das Charisma geschenkt, mit der unsichtbaren Welt zu kommunizieren und so Menschen in ihrer Not und Angst um das ewige Heil ihrer Angehörigen zu trösten. Sie alle aber verstanden sich nie als Auskunftsbüro für die andere Welt, sondern solche Tröstungen blieben eher die Ausnahme und sie geschahen im ernsten geschützten Rahmen der sakramentalen Seelsorge.
Gerade bei P. Pio fällt auf, daß er selbst dann, wenn Angehörige bereits im Himmel waren, die Leute eindringlich ermahnte, weiterhin für die Angehörigen zu beten, weil das Gebet auch ein Ausdruck der Liebe und der dankbaren Verbundenheit ist.
Halten wir fest: Es gibt für uns Christen keinen anderen Weg, der uns vom persönlich erfahrenen Karfreitag in die Befreiung des Ostermorgens hineinführt, als das feste, unerschütterliche, beharrliche und von der Liebe durchglühte Vertrauen in Gott und Seinen Sohn Jesus Christus.