VISION 20003/2009
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Labor für die Welt von morgen

Artikel drucken Familie: Ort der unbedingten Beziehungen

Achtung! Was sich heute in Sachen Familie rund um uns tut, was politisch und medial forciert wird, gefährdet die menschliche Substanz! Das ist kein effekthascherischer Alarmruf. Es ist die nüchterne Feststellung der Tatsache, daß dem Menschen, vor allem dem heranwachsenden, keineswegs irgendwelche, im Labor von Ideologen entwickelte Lebensumstände zugemutet werden können.

Warum? Weil der Mensch als Abbild Gottes geschaffen ist. Er ist also geschaffen - nach einem Konzept, das nicht beliebig verändert werden kann.

Was gehört aber zu diesem Grundkonzept? Daß er als Mann oder als Frau existiert und daß Mann und Frau aufeinander zugeordnet sind, berufen, sich unverbrüchlich aneinander zu binden, um eins und fruchtbar zu werden. In der Einheit von Mann und Frau leuchtet das Geheimnis des liebenden Gottes in der Schöpfung auf, hat Papst Johannes Paul II. klargestellt.

Gesellschaftliche Konzepte, die Schwulen- und Lesbenpaare dieselbe Stellung wie Ehepaaren einräumen, die den Müttern einreden, ihre Kinder seien in Krippen besser aufgehoben als daheim, die Scheidungen erleichtern, das Töten ungeborener Kinder zur Alltagsroutine öffentlicher Einrichtungen verkommen lassen und die sich anschicken, alte Menschen durch “Gnadentod" zu entsorgen, sind zum Untergang verurteilt. Weil sie gegen die Grundgegebenheiten des Menschseins verstoßen. So einfach ist das.

Daß hemmungsloses Herumpfuschen am Lebensraum - durchaus existenzbedrohende - Umweltprobleme schafft, haben mittlerweile viele erkannt. Daß ebensolches Herumpfuschen an den Bedingungen menschlichen Zusammenlebens genauso bedrohlich ist, wird - trotz überdeutlicher Warnsignale - übersehen.

Die Gestaltung der Mann-Frau-Beziehung entscheidet dabei über das Wohl und Wehe der Völker: Die lebenslange Ehe im Dienst der eigenen Kinder ist - weil es der von Gott vorgezeichnete Weg ist - der Schlüssel für eine gedeihliche gesellschaftliche Entwicklung. Je stabiler, je geordneter die Mann-Frau-Beziehungen sind, umso höher das Entwicklungsniveau eines Volkes. Dies ist das eindeutige Ergebnis eines Vergleichs von 80 Kulturen, den J.D. Unwin schon in den dreißiger Jahren angestellt hat: “In den Annalen der Geschichte gibt es kein Beispiel einer Gesellschaft, die über einen gewissen Zeitraum hohe soziale Energie hatte, außer sie war absolut monogam. Darüber hinaus kenne ich keinen Fall, in der eine Gesellschaft, die absolut monogam war, nicht sehr hohe soziale Energie gezeigt hätte."

Wo sich diese Ordnung auflöst, ist der kulturelle Niedergang vorgezeichnet - spätestens innerhalb von drei Generationen. Soweit der wissenschaftliche Befund. Wir stehen mitten in einer solchen Entwicklung.

Als Christen müssen wir zunächst zur Kenntnis nehmen, daß wir uns in einer solchen Phase des Niedergangs befinden. Auf eine politische Wende zu hoffen, erscheint derzeit unrealistisch. Wir müssen uns daher die Frage stellen: Was können wir trotzdem tun? Ich denke, es geht vor allem darum, Orte der Hoffnung zu gründen, sich im eigenen Lebensbereich dafür einzusetzen, daß Beziehungen gelingen. Daß es unter jüngeren Christen immer mehr Paare gibt, die ihrer Ehe und ihrer Familie Vorrang vor Karriere, Erfolg und gesellschaftlichem Status einräumen, ist dabei ein Grund zur Hoffnung.

Was mir in diesem Zusammenhang an den Zeugnissen solcher Paare besonders auffällt, ist die realistische Sicht auf Schwierigkeiten, die im ehelichen und familiären Alltag zu bewältigen sind. Da wird kein bißchen heile Welt vorgegaukelt. Beeindruckend ist aber auch das Zeugnis dafür, wie konkret die Hilfe Gottes auf diesem Weg in Anspruch genommen wird. Ja, es stimmt: an der christlichen Familie muß heute im Gegenwind gebaut werden. Sie ist gewissermaßen eine Kontrastgesellschaft. Aber sie ist das Modell der Zukunft, weil sie gleichzeitig das Modell menschlichen Zusammenlebens schlechthin ist.

Warum? Weil das unbedingte Zueinanderstehen in Ehe und Familie Ausdruck der unbedingten Würde jedes Menschen ist. Man kann nicht fortwährend die Würde jedes Menschenwürde beschwören und diesen gleichzeitig als Wegwerfprodukt behandeln. Denn jeder hat Anrecht auf die grundlegende Erfahrung: Ich bin ohne Vorbehalte angenommen, die anderen erkennen in mir den Besonderen, ich bin bedingungslos in die Gemeinschaft integriert. Jeder hat seinen Namen, jeder hat seine Stellung im Geflecht. Es sind einmalige unaustauschbare Beziehungen zum Vater, zur Mutter, zur Tochter, zum Sohn, zum Bruder, zur Schwester...

Wie wichtig dieses unbedingte Ja zueinander ist, merkt jeder in persönlichen Notsituationen: Wenn es in der Schule oder am Arbeitsplatz Probleme oder Rückschläge gibt, wenn man im Umfeld auf Ablehnung stößt, wenn Alter oder Krankheit das Leben belasten oder bedrohen, wenn Pflege erforderlich wird, wenn Trauer oder Depression zu bewältigen sind...

Was nützt es, von hehren Menschenrechten zu sprechen, wenn dem einzelnen diese notwendige Voraussetzung für sein Menschsein vorenthalten wird, die Erfahrung: Du bist - trotz allem, was geschehen mag - geliebt, du bist liebenswert, wir stehen zu dir. Dann kann im einzelnen auch die Erkenntnis wachsen: Auch ich bin liebes- und daher bindungsfähig, bereit und imstande, anderen die Erfahrung ihrer unbedingten Würde zu vermitteln.

Noch einmal: Hier wird keine Familienideologie vertreten, hier ist nicht die Rede von einer Idylle. Der rauhe Alltag ist geprägt von Versagen. Wer kennt das nicht? Aber dieser Alltag kennt für uns Christen auch das Vergeben und den Neubeginn aus der Kraft des Heiligen Geistes. Dieser ist der Lebensstrom der Hauskirchen, die in unseren Tagen entstehen und die dem Zeitgeist die Stirne bieten werden.

In unserer Familie machen wir derzeit die Erfahrung, wie wichtig diese Unbedingtheit der Beziehungen gerade für den alten Menschen ist: Unsere Mütter, 90 und 93, sind mittlerweile in einer Verfassung, in der sie nicht mehr allein für sich sorgen können. Sie sind bei der Bewältigung ihres Alltags unbedingt auf Hilfe angewiesen. Sicher, es gibt gute professionelle Unterstützung. Sie ist in Österreich ausnehmend gut organisiert. Und dennoch: Mit körperlicher Pflege, Essen auf Rädern und ärztlicher Betreuung ist es ja nicht getan. Für uns, ihre Kinder, Enkel und Urenkel sind die beiden Frauen eben nicht Betreuungsfälle, sondern sie bleiben die Mütter, die Großmütter, die Urgroßmütter, die besondere Personen, die wir begleiten, über deren Dasein wir uns freuen, deren Freuden und Leiden wir, so gut es geht, teilen, deren Anliegen wir vertreten, wenn sie in der Maschinerie der Dienstleistunggesellschaft unter die Räder zu kommen drohen - in dankbarer Erinnerung an all das Gute, das sie für uns getan haben.

Familie als Netzwerk unbedingter Zuwendung ist und bleibt unersetzbar. In unserer Zeit, die den Wert des Menschen nach Kosten-Nutzen-Überlegungen bemißt, wird sie zur Oase der Hoffnung für die Menschen in ihrer Umgebung.

Christof Gaspari

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