VISION 20002/2024
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Du bist ein guter Mensch

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Bénédicte Delelis  

Eine Episode von Bakhita, dem schrecklichen Roman von Véronique Olmi über das Leben der Heiligen, hat mich tief beeindruckt. Bakhita wurde als Kind in ihrem Dorf im Sudan von Muslimen, die Sklavenhandel betrieben, gefangen genommen. Sie ist etwa 7 Jahre alt. Der Schock ist so groß, dass sie nicht einmal mehr ihren Vornamen kennt, den Namen ihres Dorfes, nichts. Sie glaubt nur, dass alles ihre Schuld ist, weil ihre Mutter ihr geraten hat, nicht weit vom Dorf wegzugehen ...
Bakhita läuft tagelang, ohne oder kaum zu essen, ohne Kleidung. Sie wird abends für ein paar Stunden in dunkle Löcher geworfen, um dort zu schlafen, dann wird sie auf dem Markt verkauft, von grausamen Herren missbraucht und misshandelt.
Eines Tages begegnet ihr ein italienischer Herr, ein Christ. Als sie bei ihm aufräumt, entdeckt sie ein Kruzifix. „Wer ist dieser gefolterte Mann?“, fragt sie sich, zutiefst in ihrem Herzen berührt. „Ein Sklave, so wie ich.“ Das ist der Beginn ihrer großen Liebesgeschichte mit Jesus, „der Chef“, wie sie Ihn nennt, ein Chef und Sklave, wie Bakhita, die später Klosterschwester in Italien sein wird.
Véronique Olmi erzählt, dass das junge Mädchen, befleckt von der erlittenen Gewalt bei den früheren Herren, sich von Hass und Selbsthass überwältigt sah. Eine Erinnerung hält sie davon ab, in den Abgrund der Verzweiflung zu stürzen: Ihre Mutter hatte nämlich zu ihr gesagt: „Du bist gut, du bist lieb.“ Dieses Wort blieb in Bakhita wie ein Schutzwall erhalten. Misshandelt, verachtet, konnte ihr nichts die Erinnerung an das nehmen, was sie zutiefst ist und was ihre Mutter ihr offenbart hatte: Sie sei gut, sie sei liebenswert. Und sie hat dieses Wort gehegt und gepflegt, wie man auf die Glut bläst, damit die Flamme wieder aufsteigt und im Dunkeln tanzt.
Etwas Ähnliches habe ich im Film „Das Leben der Anderen“ von Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck gefunden. Der Film spielt in der Deutschen Demokratischen Republik in den 1980-er Jahren. Ein Mann von der Stasi, der kommunistischen Polizei, wird damit beauftragt, einen Schriftsteller und seine Partnerin, eine Schauspielerin, auszuspionieren. Dieser Polizist ist anfangs ein reines Produkt der Kommunistischen Partei, der an die marxistische Ideologie glaubt. Doch Zweifel befallen ihn, als er die unaussprechlichen Beweggründe seiner Vorgesetzten und das mutige und berührende Leben des Schriftstellers und seiner Frau entdeckt, die er Tag und Nacht ausspioniert.
Mehrere Erlebnisse brechen die Festung seiner Härte und seines Glaubens an das Regime: die Schönheit eines Theaterstücks, die einer Beethoven-Sonate, die Liebe des Schriftstellers, der einen schweren Verrat verzeiht.
Schließlich bringt ihn eine Episode endgültig zu Fall. Als er zufällig die Schauspielerin trifft, die er gerade beobachtet, erklärt sie ihm und schaut ihm dabei direkt in die Augen: „Du bist ein guter Mensch.“ Er zuckt zusammen; Wenn sie wüsste, wer er ist und was er tut! Dieses Wort wird jedoch alles verändern. Der Funke des Guten, den die Frau erkannt hat, entzündet sich und wird zum Wegweiser für den Rest der Existenz des Spions, der wirklich „ein guter Mann“ wird.
Diese beiden zusammenlaufenden Episoden haben mich beeindruckt. Gott richtet fraglos Seinen Blick auf uns, wie diese Mutter oder wie diese Schauspielerin, die den rechten Blick hatte. Gott betrachtet in uns weiterhin Sein herrliches Bild, auch wenn es manchmal mit Schlamm bedeckt ist. Aber Er, Er sieht es immer. Darauf setzt Er Seine Hoffnung, ohne jemals damit aufzuhören, so sehr, dass unter Seinem göttlichen Blick diese Flamme des Guten, so klein sie auch sein mag, triumphieren kann.

Famille Chrétiennev. 27.1.-2.2.24

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