VISION 20002/2024
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Die Masken ablegen

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Wenn du Almosen gibst, wenn du betest, wenn du fastest, dann achte darauf, dass dies im Verborgenen geschieht; dein Vater sieht nämlich auch das Verborgene (vgl. Mt 6,4). Begib dich in die Verborgenheit: Das ist die Einladung, die Jesus zu Beginn der Fastenzeit an einen jeden von uns richtet.
Ins Verborgene einzutreten bedeutet, zum Herzen zurückzukehren, wie der Prophet Joël mahnt (vgl. Joël 2,12). Es ist eine Reise von außen nach innen, damit alles, was wir erleben, auch unsere Beziehung zu Gott, sich nicht auf Äußerlichkeiten reduziert, auf einen Rahmen ohne Bild, auf eine Hülle für die Seele, sondern von innen her entsteht und den Bewegungen des Herzens entspricht, das heißt, unseren Wünschen, unseren Gedanken, unseren Gefühlen, dem ursprünglichen Kern unserer Person.
Die Fastenzeit taucht uns also in ein Bad der Reinigung und Säuberung: Sie will uns helfen, jede „Schminke“ zu entfernen, alles, was wir auftragen, um angemessen zu erscheinen und besser als wir sind. Zum Herzen zurückzukehren bedeutet, zu unserem wahren Ich zurückzukehren und es, so wie es ist, nackt und bloß, vor Gott zu stellen. Es bedeutet, in unser Inneres zu schauen und uns bewusst zu werden, wer wir wirklich sind, indem wir die Masken abnehmen, die wir oft tragen, das Tempo unserer Hektik verlangsamen, das Leben annehmen und die Wahrheit über uns selbst. Das Leben ist kein Schauspiel, und die Fastenzeit lädt uns ein, von der Bühne der Verstellung herabzusteigen, um zu unserem Herzen zurückzukehren, zur Wahrheit dessen, was wir sind. (…)
Deshalb erhalten wir heute Abend im Geist des Gebets und der Demut das Aschenkreuz auf die Stirn. Es ist eine Geste, die uns zum Wesentlichen unseres sSelbst zurückbringen will: Wir sind Staub, unser Leben ist wie ein Hauch (vgl. Ps 39,6; 144,4), aber der Herr – Er und nur Er, kein anderer – lässt nicht zu, dass es verschwindet; Er sammelt und formt den Staub, der wir sind, damit Er nicht von den ungestümen Winden des Lebens zerstreut wird und sich nicht im Abgrund des Todes verliert.
Die Asche auf unseren Häuptern lädt uns ein, das Verborgene im Leben wiederzuentdecken. Sie sagt uns: Solange du weiterhin eine Rüstung trägst, die dein Herz verhüllt, solange du dich mit der Maske des Scheins tarnst und du ein künstliches Licht ausstrahlst, um unbesiegbar zu erscheinen, wirst du leer und unfruchtbar bleiben. Wenn du hingegen den Mut hast, deinen Kopf zu beugen und in dein Inneres zu schauen, dann wirst du die Gegenwart eines Gottes entdecken können, der dich liebt und dich seit jeher liebt; dann wird die Rüstung, die du dir angelegt hast, endlich zerbrechen und du wirst dich von einer ewigen Liebe geliebt fühlen können.
Schwester, Bruder, ich, du, ein jeder von uns, wir sind mit ewiger Liebe geliebt. Wir sind Asche, über die Gott seinen Lebensatem gehaucht hat, wir sind Erde, die er mit seinen Händen geformt hat, wir sind Staub, aus dem wir auferstehen werden zu einem Leben ohne Ende, das schon immer für uns vorbereitet war.
Und wenn in der Asche, die wir sind, das Feuer der Liebe Gottes brennt, dann entdecken wir, dass wir von dieser Liebe durchdrungen sind und dass wir zur Liebe berufen sind: die Geschwister zu lieben, die uns umgeben, achtsam gegenüber anderen zu sein, Mitgefühl zu zeigen, Barmherzigkeit zu üben, das, was wir sind und was wir haben, mit denjenigen zu teilen, die bedürftig sind. Daher können Almosen, Gebet und Fasten nicht auf äußere Verhaltensweisen verkürzt werden, sondern sie sind Wege, die uns zum Herzen zurückführen, zum Wesentlichen des christlichen Lebens. Sie lassen uns entdecken, dass wir Asche sind, die von Gott geliebt ist, und sie befähigen uns, dieselbe Liebe über die „Asche“ so vieler alltäglicher Situationen zu streuen, damit in ihnen Hoffnung, Vertrauen und Freude wiederaufleben.
Predigt am 24. Februar 2024

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